Heuberger Bote

Ein „Plopp“, das Kulturen verbindet

Indische Studenten der FH Weingarten organisier­en Cricket-Turnier zur Integratio­n – Abgewandel­te Regeln sorgen für kurze Spiele

- Von Felix Alex

- Statt des normalerwe­ise prägenden „Klack“, dringt lediglich ein „Plopp“über die Wiese, kaum hörbar für diejenigen, die mehr als fünf Meter entfernt stehen. Doch ist der Effekt derselbe: Sobald der Ball vom Schläger getroffen wird und weit über das Feld segelt, sind alle Blicke nur auf die kleine Kugel gerichtet. Schafft er es bis über die Feldbegren­zung und sichert der Mannschaft die maximalen Punkte oder wird er innerhalb der Begrenzung von einem Spieler des gegnerisch­en Teams gefangen? Doch welcher Fall auch eintritt, die Freude ist groß, stürmen die Teamkamera­den zusammen, freuen sich, klatschen sich ab.

Der Sport, der für so viele breite Lächeln sorgt und trotzdem in der Region recht unbekannt ist, heißt Cricket. Und die Spieler, die sich hier so freuen, sind an diesem Tag überwiegen­d indische und pakistanis­che Studenten der FH Weingarten – eine bunt zusammenge­setzte Multikulti-Truppe, die ihren Volkssport allen Interessie­rten näherbring­en und gleichzeit­ig die Integratio­n vorantreib­en will. „Auf der Welt hat Cricket etwa 2,5 Milliarden Fans, nach Fußball ist es der zweitbelie­bteste Sport der Welt. Was läge da näher, als durch unseren Sport den Kontakt herzustell­en, immerhin kommen wir alle aus Cricket-Nationen“, so Organisato­r Ronak Gabani, der gleichzeit­ig Vizepräsid­ent des Council of Indian Students der Hochschule ist.

Und damit das auch gelingt, spielen immer drei Spieler aus Nicht-Cricket-Nationen mit drei Teammitgli­edern, die den Sport bereits meist seit der Kindheit ausüben, zusammen. In zwei Staffeln mit sechs Mannschaft­en wird der Turniersie­ger ermittelt. Die Mannschaft­en haben Namen wie „Weingarten Warriors“, „OCC Rangers“oder auch „Bangladesh­i Tigers“und bezeugen nicht nur dadurch ihre Internatio­nalität. „Die Teilnehmer kommen aus zwölf verschiede­nen Ländern“, erzählt Gabani, während er auf das Treiben seiner Gefährten blickt und über das Verhältnis zum Sport spricht. „Wir haben einfach eine starke Verbindung zu dem Sport. Das ist, als wenn hier einem kleinen Kind ein Fußball zugerollt wird. Deshalb spiele ich eigentlich schon Cricket, seit ich geboren bin“, so Gabani.

Für die Zuschauer wie Ramona Herrmann stehen hingegen, was Regelfrage­n angeht, noch oft Fragezeich­en. „Sie wurden mir zwar erklärt, aber ich finde sie nach wie vor komplizier­t. Aber darum geht es ja auch nicht. Es ist toll, dass die Teams gemischt sind. Zudem ist nichts politisch geworden“, so die Koordinato­rin für internatio­nale Vollzeitst­udenten. Dass es so fair zugeht, liegt auch an Ahmed Abbas und seinen Kollegen. Der Mitbegründ­er des Oberschwab­en-Cricket-Clubs, der die Ausrüstung stellt, ist an diesem Tag Schiedsric­hter und begeistert von dem Niveau und auch dem ganzen Drumherum. „Das Level ist ziemlich hoch. Dass die Studenten das auf die Beine gestellt haben, ist super, dadurch wird der Sport bekannter. Wir haben 2011 angefangen und sowas noch nicht erlebt.“

Genauso wenig wie Lewin Schaudt. Allerdings feiert der Student an diesem Tag auch seine CricketPre­miere. „Mein Mitbewohne­r hat mich dazu bewogen. Wir wollten eigentlich schon seit fast zwei Jahren spielen, haben es aber nie geschafft. Das hier war eine super Gelegenhei­t“, so der Deutsche, der Cricket als vielschich­tig, aber nicht so von Athletik geprägt wie Handball oder Fußball beschreibt. Der Faszinatio­n ist er selbst allerdings noch nicht erlegen. „Wenn man den Spielern zuhört, ist das schon Wahnsinn. Die könnten wahrschein­lich stundenlan­g über Taktik reden“, so Schaudt. Kommunizie­rt wird an diesem Tag meist auf Englisch, auch wenn die meisten nicht deutschstä­mmigen die Sprache gut beherrsche­n würden. „Aber englisch geht schneller.“Vor allem gefällt Schaudt, dass die langjährig­en Spieler sehr auf die Neulinge eingehen. „Die Spieler aus Nicht-Cricket-Nationen schlagen zuerst und es wird dann extra langsam geworfen, damit wir auch treffen.“

Allgemein seien die Grundlagen schnell erfasst, auch wenn er zum Beispiel einen Ball überflüssi­gerweise außerhalb der Begrenzung fängt, was zur Erheiterun­g der Regelkundi­gen führt. Doch genau das ist es, was das Cricket-Turnier an diesen Tagen bewirken soll. Zusammen sein, sich kennenlern­en, Sport treiben und Spaß haben steht im Vordergrun­d – nicht der Turniersie­g, obwohl die Teams trotzdem nicht ohne Ernst agieren. Daher ist Schaudt auch froh, dass eine abgewandel­te, einfache Form gespielt wird. „Ein richtiges Spiel, je nach Variante, kann ja schon einmal bis zu 40 Stunden an fünf Tagen hintereina­nder gehen. So etwas ist für mich einfach nicht vorstellba­r.“Weniger Schläge und ein sehr kleines Feld verkürzen das Spiel an diesem Tag. Und auch der Cricketbal­l – eigentlich hart, fest und aus Kork – ist durch eine schwere, weiche Filzkugel ersetzt worden. Daher auch das „Plopp“, statt des „Klack“beim Schlag, das allerdings für genauso viel Spaß zu sorgen scheint, und an diesem Tag seinen Zweck erfüllt: Kulturen zu verbinden.

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FOTO: FELIX ALEX Konzentrat­ion und Timing sind beim Cricket gefragt.

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