Tuchel fühlt sich verleumdet: „unterste Schublade“
Dortmunds Trainer wehrt sich vor dem Duell in Augsburg gegen Medienberichte und spricht von Unwahrheiten
(dpa/SID/ sz) - Thomas Tuchel wirkte tief getroffen und mächtig erregt. Mit brüchiger Stimme ging der Dortmunder Trainer vor dem Duell heute beim FC Augsburg (15.30/Sky) auf Fragen nach seinem Gemütszustand ein. „Das ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen“, gestand Tuchel nach den jüngsten Medienberichten über seinen Streit mit BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und sein angeblich schlechtes Verhältnis zu diversen Spielern. „Es kursieren viele Unwahrheiten und persönliche Verleumdungen. Da werden persönliche Grenzen dramatisch überschritten.“
Tuchels Dissens mit Watzke über die Ansetzung der Champions-League-Partie gegen Monaco nur einen Tag nach dem Sprengstoffanschlag auf den BVB-Teambus schlägt weiter hohe Wellen. Die noch am Mittwoch von Sportdirektor Michael Zorc geäußerte Anregung, das Thema bis nach dem Pokalfinale am 27. Mai in Berlin ruhen zu lassen und sich auf das rein Sportliche zu konzentrieren, erwies sich als Wunschdenken.
„Vor zwei Wochen wurde ich noch gefragt, wie ich mit dem ganzen Lob umgehe. Das fühlt sich an, als wäre es zwölf Jahre her“, sagte Tuchel. „Es ist sehr schwer, damit umzugehen. In dieser Woche ist vieles auf den Kopf gestellt worden, in einer Art und Weise, die persönlich zu weit geht. Und das in Bezug auf einen schlimmen Vorfall, bei dem ich dabei war.“
Vor allem die Berichte über namentlich nicht genannte Profis, die Kritik am Trainer geäußert haben sollen, erzürnten Tuchel: „Das ist aus meiner Sicht unterste Schublade, anonym Spieler zu zitieren. Deshalb kann ich mich beim besten Willen nicht damit beschäftigen und in die Kabine gehen, um einen Maulwurf zu finden.“Der 43-Jährige verwies auf die sportlichen Erfolge: „Zwischen mir und den Spielern gilt maximales Vertrauen. Die Leistungen, die wir erbracht haben, wären nicht möglich, wenn wir ein zerrüttetes Verhältnis hätten.“
Den Schlagzeilen über sein angespanntes Verhältnis zur BVB-Führung widersprach Tuchel jedoch nicht. Es habe noch keine Aussprache gegeben. „Es ist nicht so leicht, denn es geht nicht um sportlichen Misserfolg“, sagte Tuchel und ließ offen, ob er über das Saisonende hinaus beim BVB bleibt und seinen Vertrag bis 2018 erfüllt: „Es wäre naiv, nach dieser Woche zu sagen, was spricht dagegen. Ich bin dafür der falsche Ansprechpartner, ich bin Arbeitnehmer.“
Gleichwohl brachte Tuchel sein Interesse zum Ausdruck: „Als vor zwei Wochen nach dem Spiel in München die Frage aufkam, was mit meiner Vertragsverlängerung ist, habe ich gesagt, wir haben Zeit. Weil ich fest davon ausgehe, dass ich hier im nächsten Jahr Trainer bin. Dann kennen sie meine Grundüberzeugung.“
Nach Einschätzung von Tuchel ist die Unruhe an seiner Mannschaft, die im Fernduell mit Hoffenheim Platz drei und die direkte Champions-League-Qualifikation sichern will, nicht spurlos vorbeigegangen. „Das hat auf jeden Fall einen Einfluss. Ich habe zu Beginn der Woche der Mannschaft gesagt, dass es mir sehr leid tut, dass ihre Leistung gar nicht mehr wahrgenommen wird, dass es sich so auf mich konzentriert.“Für das Spiel heute in Augsburg, das gegen den Abstieg kämpft, sei das kontraproduktiv: „Es ist doppelt und dreifach schwer, wieder in den Tunnel zu finden. Jeder Trainer und jeder Spieler wünscht sich in einem solchen Saisonfinale maximale Ruhe.“Immerhin soll der beim Anschlag verletzte Marc Bartra wieder im Kader stehen: „Er traut sich alles, er hat keine Berührungsängste“, sagte Tuchel.
Ein richtiges Augsburg-Gefühl
Augsburg, das auch noch in Hoffenheim gastiert, hat gegen Dortmund noch nie gewonnen und in fünf Heimspielen erst ein Remis erzielt. Helfen soll der Teamgeist. „Man hat wieder ein richtiges Augsburg-Gefühl“, sagte der nach langer Pause zurückgekehrte Defensivakteur Jan-Ingwer CallsenBracker angesichts der jüngsten Auftritte des FCA zu Hause gegen Köln (2:1) und den HSV (4:0). „Wir sind von der Körpersprache, der Aussstrahlung wieder besser.“
Mit 36 Punkten liegt der FCA zwei Punkte vor dem HSV und dem Relegationsplatz. Ein Sieg könnte die Rettung bedeuten. Trainer Manuel Baum sagt: „Es ist wichtig für den Kopf, dass wir das Bewusstsein haben, dass wir gegen jeden etwas reißen können in der Liga. Wir haben auch in Dortmund einen Punkt geholt.“Baum setzt darauf, dass seine Mannschaft zuletzt eine gewisse Druckresistenz bewiesen habe. Trotzdem sei ein Sieg gegen den BVB kein Muss: „Das mit ,muss' gefällt mir nicht, das impliziert viel Druck“, sagte der FCA-Coach. Den hat Augsburg allerdings dennoch.