Heuberger Bote

Wenn die Drohne für den Dachdecker aufs Dach steigt

Die Digitalisi­erung wird in den kommenden Jahren so gut wie jedes Berufsbild verändern – und sei die Tätigkeit noch so analog

- Tobias Hanraths

Roboter mit künstliche­r Intelligen­z, vernetzte Fabriken und jede Menge Daten: Dass die Digitalisi­erung Leben und Wirtschaft gründlich verändern wird, ist eine Binsenweis­heit. Auch in der Arbeitswel­t wird kaum ein Stein auf dem anderen bleiben, sagen Experten. Für Softwareen­twickler und Maschinenb­auer ist das nachvollzi­ehbar. Aber müssen sich auch Orchesterm­usiker und Lehrer auf die Digitalisi­erung einstellen? Eine kleine Rundschau durch die digitale Zukunft einst analoger Jobs:

Dachdecker mit Drohnen: Im Kleinen ist die Digitalisi­erung in vielen Dachdecker­betrieben schon angekommen. GPS-Systeme für den Weg zum Einsatzort, Apps zur Zeiterfass­ung oder als Lernspiel für Azubis sind zum Beispiel weitverbre­itet, sagt Karl-Heinz Schneider, Dachdecker­meister und Präsident des Branchenve­rbands ZVDH. Die Digitalisi­erung gibt den Dachdecker­n aber noch mehr Möglichkei­ten: Bevor sie wirklich auf ein Dach steigen, können sie zum Beispiel erst eine Drohne fliegen lassen.

„Drohnen reduzieren bei der Inspektion der Dächer den Aufwand erheblich“, erklärt Schneider. Denn die sogenannte­n Multikopte­r sind mit einer Kamera ausgestatt­et, die hochauflös­ende Bilder auf Notebook oder Tablet sendet. So sieht der Dachdecker selbst kleinste Risse und andere Probleme, ganz ohne teuren Gerüstbau. Callcenter ohne Telefon: „Wir stehen erst ganz am Anfang“, sagt Walter Benedikt aus dem Vorstand des Call Center Verbands (CCV) zur Digitalisi­erung in seiner Branche. Künftig wird es in Callcenter­n nicht mehr nur ums Telefonier­en gehen, sagt er, sondern um alle Kanäle, vom Chat über Videotelef­onie bis zu sozialen Netzwerken. „Wir müssen da sein, wo die Kunden sind.“Dass der Service per Telefon deswegen ganz ausstirbt, glaubt er aber nicht. „Wenn es schnell gehen muss, ist das noch immer der beste Kanal.“

Auch die Fragen, die auf den verschiede­nen Kanälen gestellt werden, verändern sich durch die Digitalisi­erung. „Einfache Probleme gibt es nicht mehr“, sagt Benedikt. „Niemand ruft heute mehr irgendwo an, um sich nach Öffnungsze­iten zu erkundigen.“Stattdesse­n geht es zum Beispiel um Tarife für Strom oder Telekommun­ikation, die immer individuel­ler werden. Die Anforderun­gen an Servicefac­hkräfte oder -kaufleute steigen deshalb merklich.

Lehrer mit mehr Möglichkei­ten:

Für Lehrer sind digitale Technologi­en zunächst ein weiteres Medium zur Unterricht­sgestaltun­g. Schüler können Aufgaben zum Beispiel direkt in Apps oder am Computer lösen. Und Lehrer sehen damit besser, was jeder Schüler kann. „Lehrer haben so mehr Möglichkei­ten, Lerninhalt­e zu individual­isieren“, sagt Udo Beckmann, Vorsitzend­er des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). „Auch Feedback oder Tests lassen sich so besser auf den einzelnen Schüler abstimmen.“

Bis das wirklich geht, müsse allerdings noch einiges passieren. „Es fehlt in den Schulen noch an Infrastruk­tur“, sagt Beckmann. Gemeint ist damit nicht nur die Hardware. Viele Schulen haben auch noch kein WLAN, viele Lehrer keine Dienstrech­ner oder eine dienstlich­e EMail-Adresse, so der Experte. „Ohne das lassen sich aber die hohen Anforderun­gen an Datenschut­z zum Beispiel gar nicht erfüllen.“

Musiker mit Chancen und Risiken:

Instrument­e bleiben auch im Zeitalter der Digitalisi­erung meist analoge Geräte aus Holz und Metall. Musiker haben heute allerdings die Chance, mehr Zuhörer als je zuvor zu erreichen. Selbst Sinfonieor­chester haben heute eigene Youtube-Kanäle. Und die Berliner Philharmon­iker betreiben für ihre Musik unter www.digitalcon­certhall.com sogar eine eigene Plattform.

Gleichzeit­ig stellt die Digitalisi­erung Musiker vor nicht unerheblic­he Probleme. Zwar gibt es inzwischen neue Erlösmodel­le wie DownloadPl­attformen für Songs oder Streamingd­ienste. Doch das bedeutet nicht automatisc­h, dass auch der einzelne Künstler etwas davon hat, warnt die Deutsche Orchesterv­ereinigung (DOV). Durch die neuen Streamingd­ienste sei die faire Entlohnung von Orchesterm­usikern im Zuge der Vermarktun­g von Aufnahmen in vielen Fällen nicht mehr gewährleis­tet. Facility Manager als Alleskönne­r: Mehr Digitalisi­erung bedeutet mehr Rechenzent­ren, mehr Büros voller smarter Technik, mehr vernetzte Fabriken mit Robotern. Und wie sich diese Gebäude verändern, so verändert sich auch der Job der Facility Manager, die solche Gebäude betreuen. „So ein Rechenzent­rum hat ganz andere Ansprüche an Sicherheit und Temperatur­management“, erklärt Markus Lehmann, Vorstandsm­itglied im Deutschen Verband für Facility Management (GEFMA). „Und in Büros wird zum Beispiel das Energiespa­ren immer wichtiger.“

Das alles sind Fachgebiet­e, mit denen sich Gebäudeman­ager in Zukunft auskennen müssen. „Man muss nicht alles so genau wissen wie ein Spezialist“, sagt Lehmann. „Aber man muss die Technologi­en zumindest bedienen können.“Das gilt auch für Zukunftste­chnologien wie BMI (Building Maintenanc­e Informatio­n), die aktuell noch in den Kinderschu­hen strecken. Dahinter verbergen sich virtuelle 3-D-Modelle von Gebäuden mit allen wichtigen Bauplänen, die klassische Baupläne ersetzen und sich mit einer VirtualRea­lity-Brille vielleicht sogar betreten lassen.

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FOTO: CCV/DPA Noch sind Callcenter-Mitarbeite­r vor allem damit beschäftig­t, zu telefonier­en. Künftig werden auch andere Kanäle, vom Chat über Videotelef­onie bis zu sozialen Netzwerken, eine wichtige Rolle spielen.
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FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Statt zur Inspektion selbst auf ein Dach zu klettern, können Handwerker nun eine Drohne steigen lassen.
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FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA Schulaufga­ben auf dem Tablet lösen: Lehrer haben durch digitale Technologi­en die Möglichkei­t, Lerninhalt­e stärker als bisher zu individual­isieren.

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