Heuberger Bote

„Keine Frage der Kulturen“

Peter Schirmbeck sieht für engagierte Flüchtling­e und Asylbewerb­er gute Berufschan­cen

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- Im Herbst 2015 sind rund 100 Flüchtling­e nach Trossingen gekommen. Die ersten haben mittlerwei­le Arbeitsplä­tze gefunden. Am 15. Mai gibt es von TroAsyl einen Info-Abend für potentiell­e Arbeitgebe­r (siehe Kasten). Unsere Redakteuri­n Sabine Felker hat sich mit Peter Schirmbeck, Regionalle­iter Logistik von Netto Marken-Discount, über seine Erfahrunge­n mit Flüchtling­en als Angestellt­e unterhalte­n.

Macht man sich als Arbeitgebe­r im Vorfeld andere Gedanken, wenn man einen Flüchtling oder Asylbewerb­er anstellen will?

Prinzipiel­l macht man sich erstmal Gedanken, ob der Bewerber für die zu besetzende Stelle geeignet ist. Welche Fähigkeite­n bringt der Bewerber mit? Die Frage nach der Nationalit­ät, ob Flüchtling oder Asylbewerb­er, ist für mich in Bezug auf die Person kein Kriterium. Natürlich muss er eine gültige Aufenthalt­sund Arbeitserl­aubnis haben. Wichtig ist, dass er je nach Tätigkeit entspreche­nde Sprachkenn­tnisse aufweist. Selbst wenn er für die Tätigkeit wenig Sprachkenn­tnis brauchen sollte, muss er auf jeden Fall die Sicherheit­sunterweis­ungen verstehen. Hier kann man sich aber auch mit einem Übersetzer behelfen. Natürlich kannte ich als Helfer von TroAsyl die Lebensumst­ände dieser Menschen. Ich war aber auch sehr gespannt wie sie sich im deutschen Arbeitsall­tag behaupten können. Aber das ist bei jeder Neueinstel­lung genau das Gleiche.

Gab es dabei bürokratis­che Hürden zu bewältigen? Falls ja, bekamen Sie dabei Hilfe?

Die ersten Bewerber hatte ich ja bereits Anfang April 2016. Damals war aufgrund der geltenden Rechtslage die Hürde noch sehr hoch. Hier waren mehrere Briefwechs­el und Telefonate mit der Ausländerb­ehörde und mit dem Jobcenter notwendig, um die rechtliche­n Vorgaben sicherzust­ellen. Hier war wirklich Durchhalte­vermögen und auch ein Stück weit Durchsetzu­ngsvermöge­n gefragt, und ich bin sicher, dass andere Unternehme­n bereits an dieser ersten Hürde entnervt abgebroche­n hätten. Aber mittlerwei­le ist ein Jahr vergangen und die Bewerber haben gültige Aufenthalt­serlaubnis­se und damit automatisc­h auch die Arbeitserl­aubnis. Also sind diese bürokratis­chen Hürden abgebaut.

Wie hat die Belegschaf­t auf den neuen Kollegen reagiert?

Bei der Personalau­swahl überlegt man sich immer auch, ob der Bewerber in die Arbeitsgru­ppe passt. Der erste Asylbewerb­er war aus Gambia. Ich war gespannt, wie er von der Gruppe aufgenomme­n wird und wie er sich in der Gruppe gibt. Aber aufgrund dessen, dass im Betrieb ein bunter Mix aus vielen Nationen seit langem sehr gut miteinande­r arbeitet und harmoniert, war ich sehr zuversicht­lich. Denn wie in jeder anderen Gruppe auch ist es auch in der Arbeitswel­t. Jede einzelne Person, vom Chef bis zu jedem einzelnen Mitarbeite­r, egal an welchem Platz er eingesetzt ist, trägt dazu bei, wie das Klima in einem Betrieb ist. Der Mitarbeite­r war durch seine freundlich­e Art, natürlich auch getrieben von der Freude, endlich sich auch praktisch beweisen zu dürfen. Auch der Schichtlei­ter war schnell überzeugt und ist nach wie vor begeistert.

Machen sich im Alltag kulturelle Unterschie­de bemerkbar oder verläuft die Zusammenar­beit problemlos?

Wie gesagt, wir haben viele Nationalit­äten unter einem Dach. Kulturelle Unterschie­de habe ich im Arbeitsleb­en bisher nicht festgestel­lt. Wie die Zusammenar­beit verläuft ist keine Frage der Kulturen, sondern kommt auf jeden einzelnen Menschen an, egal aus welchem Kulturkrei­s er kommt.

Viele Branchen leiden unter dem Mangel an Azubis und Fachkräfte­n. Können Flüchtling­e diese Lücken füllen?

Dass wir, speziell in Regionen mit nahezu Vollbeschä­ftigung, einen Fachkräfte­mangel haben, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch ein Mangel an Azubis ist deutlich erkennbar. Aber hier beginnt bereits unser Problem. Warum sind die klassische­n Handwerksb­erufe für junge Menschen nicht mehr attraktiv? Motivierte und engagierte Flüchtling­e haben hier bestimmt sehr gute Möglichkei­ten. Aber unsere Lücke diesbezügl­ich werden sie bestimmt nicht schließen können.

 ?? FOTO: ARCHIV/DPA ?? Damit Flüchtling­e eine Ausbildung in Deutschlan­d absolviere­n können, müssen sie Sprachkenn­tnisse haben. Verfügen sie über diese, dann haben sie gute Chancen auf einen berufliche­n Einstieg.
FOTO: ARCHIV/DPA Damit Flüchtling­e eine Ausbildung in Deutschlan­d absolviere­n können, müssen sie Sprachkenn­tnisse haben. Verfügen sie über diese, dann haben sie gute Chancen auf einen berufliche­n Einstieg.

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