Bürger reden mit, wie es im Ort weitergehen soll
Wehingen organisiert Bürgerwerkstatt zum „Tag der Städtebauförderung“
- Quo vadis, Wehingen? Mit der Frage, in welche Richtung es mit Wehingen gehen soll, haben sich beim „Tag der Städtebauförderung“die Bürger beschäftigt. Kombiniert wurde dieser Tag mit einer öffentlichen Gemeinderatssitzung, einer Ortsbegehung und einer Bürgerwerkstatt.
Hintergrund ist ein Antrag, der fürs Sanierungsprogramm Ländlicher Raum gestellt wird. Dabei werden Sanierungsmaßnahmen vom Land mit 60, von der Kommune mit 40 Prozent bezuschusst. „Es gibt nach wie vor Potential, um Missstände zu beheben“, so Bürgermeister Gerhard Reichegger.
Doch um zu wissen, wohin die Reise im Ort gehen soll, war die LBBW Immobilien Kommunalentwicklung GmbH (KE) involviert. Thomas Geissler und seine Kollegin Jasmin Kizler waren dabei beim Rundgang, bei dem Bürger, Gemeinderäte und Bürgermeister das bisher Erreichte in der Ortsmitte besichtigt haben.
Angeschaut wurde unter anderem das Rathaus, das mittels Aufzug schon bald barrierefrei sein wird. Es wurden Gebäude besichtigt, deren Renovierung und Modernisierung auch unter energetischen Gesichtspunkten angegangen werden könnte. Wahrscheinlich gebe es auch ein Verkehrsgutachten, um abzuklären, wo eventuell Kreisverkehre und verkehrsberuhigte Zonen denkbar oder sogar notwendig sind, so Reichegger.
Angesprochen wurde der Abbruch und Wiederaufbau von Gebäuden mit Sanierungsmitteln, der Abbruch und Neubau im Ortskern, Wohnungen für sozial Schwache und barrierefreie Wohnungen für ältere Bürger, zudem betreutes Wohnen. Ein Thema war das Absenken von Randsteinen, auch bei Umbaumaßnahmen. Und eventuell eine Bushaltestelle zu integrieren, denn bisher gibt es keine Busbuchten, der Bus hält mitten auf der Straße. Vorstellen kann sich der Bürgermeister die Aufwertung von Kreuzungen. Es gehe darum, die Verkehrsplanung zu realisieren ohne Behinderung des laufenden Verkehrs. „Auch Wehingen hat eine Rushhour“, so Reichegger schmunzelnd.
Nach der Besichtigungstour haben Geissler und Kizler einen Überblick über laufende städtebauliche Untersuchungen gegeben. Unter anderem haben sie die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung und die Möglichkeiten zur baulichen Entwicklung von Wehingen vorgestellt. Es ging um die veränderte Altersstruktur und neue Wohnungen. Zehn pro Jahr werden gebraucht, prognostizierte Geissler. Dies könne geschehen bei der Innenentwicklung durch Aktivierung von Leerständen und Baulücken. Doch sei der Wohnungsbedarf nicht allein durch die Innenentwicklung zu decken, weshalb auch die Außenentwicklung im Auge behalten werden müsse und Neubauflächen wichtig seien. „Sie haben Arbeitgeber, die Arbeitsplätze geschaffen haben“, so der Experte zum Thema Beschäftigtenentwicklung. Allerdings nehme auch die Pendlerbewegung zu. Kizler hat die Gebäude näher unter die Lupe genommen. Bei zwölf Prozent der 300 Gebäude seien schwer wiegende Mängel festzustellen, bei 28 Prozent starke Mängel, bei 50 Prozent Mängel und lediglich bei 17 Prozent keine oder nur leichte Mängel.
Dann ging es ans Eingemachte. „Sie müssen ein bisschen arbeiten“, kündigte Geissler an und erläuterte, worum es in der Bürgerwerkstatt geht. Um herauszufinden, wo die Bürger der Schuh drückt, wo sie Verbesserungsbedarf sehen und womit sie zufrieden sind, wurden zwei Arbeitsgruppen gebildet. Eine beschäftigte sich mit der Entwicklung der Ortsmitte, die andere mit der gesamtörtlichen Entwicklung. Über allem stand die Frage: „Warum soll dieses Sanierungsgebiet gefördert werden?“
Geissler und Kizler verteilten grüne (positiv) und rote (negativ) Kärtchen, und die Bürgerschaft durfte in sich gehen. 50 Wehinger ließen sich gerne mit ins Boot holen, um die Zukunft der Gemeinde mitzubestimmen. Sie waren sich einig, dass Wehingen eine gute Infrastruktur habe. Auch liege alles zentral, die Einkaufsmöglichkeiten, Kindergarten, Schule, Arzt, Apotheke. Und auch die vorhandenen Grünflächen mögen die Wehinger und möchten keinesfalls darauf verzichten. Alles sei zu Fuß gut erreichbar.
Der Ort sei klein und überschaubar, doch eben von außen nicht sehr attraktiv. „Warum sollte ich als Tourist nach Wehingen kommen?“, hat ein Mann in den Raum gestellt. Es gebe kein Café, keine Eisdiele, keine Übernachtungsmöglichkeit. Hier sehen die Bürger großen Handlungsbedarf. Außerdem wünschen sie sich Ruhebänke auf den Grünflächen und einen Treffpunkt im Ort.
Parkplatzsituation brennt unter den Nägeln
Was ihnen auch unter den Nägeln brennt, ist die Verkehrs- und Parkplatzsituation. Es gebe lediglich eine Möglichkeit beim Rathaus, um die Straße sicher zu überqueren. „Die Fußgängersituation im Ortskern ist schwierig.“Auch weil viele Gehwege zugeparkt werden. Zum Beispiel die Situation vor der Apotheke sei „sehr unbefriedigend“. Vor allem, wenn die Fußgänger auf die Straße ausweichen müssen.
Ein großes Problem sehen die Wehinger in der oft nicht vorhandenen Barrierefreiheit. Zum Beispiel der Einkauf sei nicht immer barrierefrei und die Randsteine oft zu hoch. „Ältere Menschen bleiben mit dem Rollator hängen.“Moniert wurde, dass Behindertentoiletten oft zwar vorhanden, aber nicht zugänglich sind. Der Kritik, in Wehingen gebe es kaum Spielplätze, konnte der Bürgermeister begegnen: „Wir haben eine Vielzahl von Spielplätzen, die nicht jeder kennt.“Es sind sechs Stück. Nun sollen die Spielmöglichkeiten für Kinder gebündelt werden.
Hausaufgaben haben die Wehinger ihrer Verwaltungsspitze viele aufgegeben. Diese Anregungen sollen in den Antrag fürs Sanierungsprogramm Ländlicher Raum aufgenommen werden, das im Herbst 2017 auf den Weg gebracht wird, um 2018 umgesetzt werden zu können.