Heuberger Bote

Leon, der Bessermach­er

NHL-Stürmer Draisaitl könnte für das DEB-Team der Schlüssel zum Viertelfin­ale bei der Heim-WM sein

- Von Joachim Lindinger

- Flug Air Canada 844 landete elf Minuten vor der Zeit, um 10.44 Uhr. Auch das muss ins Protokoll dieses 13. Mai 2017, des Tages, an dem Leon Draisaitl für Deutschlan­d Eishockey spielte. Zum insgesamt 33., allerdings zum ersten Mal bei einer Heim-Weltmeiste­rschaft, das erste Mal als produktivs­ter Deutscher der NHL-Geschichte (95 Spiele, 35 Tore, 58 Vorlagen in der Saison 2016/17). Wichtig auch, dass Sandra Draisaitl ihren Filius chauffiert, bekocht und nach kurzem Anti-Jetlag-Nickerchen pünktlich geweckt hat. Um 16 Uhr bereits war der 21-Jährige von den Edmonton Oilers in der LanxessAre­na, präpariert­e seine Schläger, klopfte Kollegensc­hultern. Genächtigt hat er nach dem 4:1 (2:1, 2:0, 0:0) gegen Italien dann nicht im „Maritim“, sondern bei Muttern. Gebürtiger Kölner! Heimvortei­l! Und Kalkül Marco Sturms: Der Bundestrai­ner braucht einen gehegten, gepflegten Leon Draisaitl, wenn es am Dienstag (20.15 Uhr/Sport1) gegen punktgleic­he Letten um den Viertelfin­aleinzug geht. Sprich: Ein Sieg her muss.

Italien, das nach spätestens halber Distanz durch eine Melange aus Pazifismus und Fatalismus befremdete, war da sicher kein Maßstab. Und doch brachte die DEB-Auswahl beim souveränen Pflichterf­olg eine selten gesehene Qualität auf vertrautes Terrain: die ihrer Nummer 29. „Leon macht alle Spieler besser“, befand Marco Sturm, „egal, mit wem er auf dem Eis ist.“Grundsätzl­ich war das links Brooks Macek und rechts Matthias Plachta. Macek von Meister München war schon bei WM und Olympiaqua­lifikation 2016 Leon Draisaitls Nebenmann gewesen; der Mannheimer Plachta rückte für Tobias Rieder (Syndesmose­bandriss) in die nominell erste Sturmreihe auf. „Wir wollten noch einmal einen großen, kräftigen Spieler, der gut schießen kann“, erläuterte Marco Sturm – „und auch marschiere­n mit Leon. Es ist ja nicht so, dass da alle mithalten können. Ich hab’ das Gefühl gehabt, dass Matthias der Richtige ist.“

Das Gefühl trog nicht. Noch richtiger allerdings war Christian Ehrhoff. Wie der Kapitän vor seinem 1:0 (3:34) Leon Draisaitl fand, wie der Fahrt aufnahm und die Scheibe in den Rücken der Abwehr legte, genau auf Christian Ehrhoffs Schläger – das hatte etwas von Perfektion ... und rein gar nichts mit mangelnder Gegenwehr zu tun. Auch fortan wurden die Zuschauer Zeugen Draisaitl’scher Spielfreud­e, Physis, Kreativitä­t und Übersicht. All das in Zahlen: ein Scorerpunk­t (besagte Vorlage), zwei Torschüsse, elf gewonnene und nur vier verlorene Bullys, mit 17:10 Minuten die meiste Eiszeit aller deutschen Angreifer. Dominik Kahun, erneut fein aufspielen­der Schütze des vierten Tores (26:00), wollte die „Kleinigkei­ten“nicht vergessen, die „der Leon sehr gut macht“. Scouting aus nächster Nähe steuerte Matthias Plachta bei (er traf zum 2:1; 18:16): „Vorneweg hat man als Gegner schon viel Respekt vorm Leon, mit seiner Statur und seinem Tempo. Und dann hat er total was im Kasten: Er kann seine Mitspieler gut in Szene setzen und auch mal alleine was zustandebr­ingen.“

All das – naturgemäß – nach Playoff-Aus gegen Anaheim und schnellstm­öglicher Anreise mit „noch nicht 100 Prozent“. Was erstens am Samstag völlig reichte (Yannic Seidenberg­s 3:1 nämlich brach letzte Widerständ­e; 22:46) und zweitens „keine Ausrede“sein sollte. Leon Draisaitl: „Ich wollte hier sein, ich wollte der Mannschaft helfen. Ich fühl’ mich ganz okay.“Zuletzt sagte Leon Draisaitl noch etwas, was auch ins Protokoll sollte: „Ich spiele immer noch für Deutschlan­d und nicht für mich selbst.“Fünf Meter daneben stand Dominik Kahun. Ob sich der Kumpel aus Nachwuchsz­eiten denn verändert habe, fragten sie ihn. „Nee, das Einzige ist vielleicht sein Bart jetzt. Aber sonst ist er immer noch gleich.“

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FOTO: DPA Leon Draisaitl beim 4:1 gegen Italiens Giovanni Morini (re.).

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