Im Auge des Sturms
Trotz Weigl-Drama und Trainer-Debatte wähnt sich Tuchel in Oase – Augsburg muss zittern
- Wäre es nicht bereits der vorletzte Spieltag, Thomas Tuchels Laune wäre nach dem 1:1 (1:1) seiner Dortmunder gegen den leidenschaftlich nervtötend (für den Gegner) aufspielenden FC Augsburg wohl nicht so schnell wieder halbwegs optimistisch gestimmt gewesen. Der Trubel um den Dissens mit BVBBoss Hans-Joachim Watzke und die Gerüchte um seinen vorzeitigen Abschied, wurden an diesem Nachmittag noch ergänzt durch die allein beim Zuschauen schon schmerzende schwere Knöchelverletzung von Mittelfeldspieler Julian Weigl sowie den nicht einkalkulierten Punktverlust gegen den weiter vom Abstieg bedrohten FCA. Doch da es eben der vorletzte Spieltag war und tabellarisch auch nicht so viel Dramatisches passiert ist, saß der BVB Trainer hinterher entspannt vor den Journalisten, lächelte dieses typische hintersinnige und leicht spitzbübische Tuchel-Lachen und streute sogar den ein oder anderen Witz in seine Ausführungen. „Es ist gut, wenn man sich auf ein Spiel fokussieren kann, alles andere wird dann ausgeblendet“, sagte er, „ich kann ihnen versichern, dass es bei allen Trainingseinheiten zwischen mir und der Mannschaft sehr vertrauensvoll zugeht“, so der Trainer, der das große Thema „Dissonanzen mit der Clubführung“wohlweislich ausließ. „Im Auge des Sturms ist es am ruhigsten – ich habe meine Oase der Ruhe im Trainingszentrum.“
Das Spiel in Augsburg war nicht wirklich ein Erholungsurlaub, auch wenn er anfügte: „Wenn ich meine Mannschaft so spielen sehe, dann geht es mir gut.“Doch die 19. Minute wird wohl noch lange nachwirken. Julian Weigl, der junge Lenker und Denker der jungen Truppe, ging in einen Zweikampf mit Philipp Max, stürzte und blieb unglücklich im Rasen hängen. „Julian hat mir gesagt, dass es geknackt hat und gleich gespürt, dass es etwas Schlimmes ist“, rekapitulierte Tuchel. Was Schlimmes, das heißt im Medizinsprech: rechtes Sprunggelenk gebrochen. Heißt: Saison beendet, keine Chance auf Confed-Cup und eine ordentliche Saisonvorbereitung, Gips bis zum Knie, insgesamt drei bis vier Monate Pause und vor allem auch ein Stich ins Herz der Mannschaft. Denn: „Wenn Julian in der Mitte spielt, ist der Ball eine Sekunde schneller dort, wo er hin soll, als wenn er nicht spielt. Wir können ihn nicht eins zu eins ersetzen und müssen nun eine Lösung für zwei Spiele suchen“, so Tuchel. „Ich bleib wie es auf meinem Tattoo steht POSITIV“, schrieb Weigl bei Twitter. Dazu ein Foto aus dem Teamflieger. Lächelnd.
Tuchel führte noch an, dass der Rasen in der Augsburger Arena extrem stumpf war. Das erhöht die Verletzungsgefahr. Doch am Rasen lag es eher nicht, dass die Mannschaft von Trainer Manuel Baum nun bereits zum wiederholten Mal hintereinander einer Topmannschaft – durchaus nicht zu unrecht – Punkte abnahm. Dabei helfen konnte auch ein Torhüter, der lange Zeit weniger im Fokus stand. Andreas Luthe vertrat den kurzfristig mit Hüftbeschwerden ausgefallenen Stammkeeper Marwin Hitz souverän und überraschte sogar mit bisher ungeahnten Talenten. In der 29. Minute schlug der 30-Jährige einen weiten Ball auf Max und überwand so die komplette Dortmunder Defensive. Max beförderte das Spielgerät flach vor das Tor von BVB-Keeper Roman Bürki, der diesen nur ablenkten konnte, genau vor die Füße von Alfred Finnbogason, der lässig vollstreckte. „Andi hat seine Sache richtig gut gemacht“, befand auch Trainer Baum später und verwies auf den Statistikbogen. „Da steht der Andi bei den meisten Torschussvorlagen mit drauf. Das Ding bringe ich ihm nachher mit.“
Tuchel hofft auf Schützenhilfe
Dass die Dortmunder anschließend sofort aufdrehten und drei Minuten später das 29. Saisontor von PierreEmerick Aubameyang bejubeln konnten, blieb Makulatur, da die Augsburger sicher in der Abwehr standen und recht erfolgreich versuchten, den Dortmundern die Freude am Spiel zu nehmen. Oder, wie Tuchel es formulierte, dem BVB „ein hartes Stück Brot“servierten, an dem sein Team zu nagen hatte.
Auch die Augsburger waren mit ihrer Leistung nicht unzufrieden, auch wenn der Abstieg noch nicht abgewendet ist. „Ich hätte natürlich gerne vor eigenem Publikum den Klassenerhalt sicher gemacht, der Rahmen war perfekt“, sagte Luthe, „jetzt müssen wir nächste Woche gegen Hoffenheim wieder so auftreten.“Acht Punkte haben die Augsburger aus den letzten fünf Partien geholt, nun geht es wieder gegen einen dieser großen Gegner, die den Fuggerstädtern gerade zu liegen scheinen. Außerdem: „Ich hoffe, dass die Augsburger dann genauso gut wie gegen uns das Toreschießen verhindern“, sagte Tuchel noch. Klar, der BVB-Coach hat eine Augsburger Vergangenheit als Jugendund Amateurcoach. Doch in erster Linie dürfte er da wohl an den BVB gedacht haben: Hoffenheim ist schließlich Dortmunds Rivale im Kampf um den direkten Qualifikationsplatz für die Champions League.