Heuberger Bote

Im Auge des Sturms

Trotz Weigl-Drama und Trainer-Debatte wähnt sich Tuchel in Oase – Augsburg muss zittern

- Von Felix Alex

- Wäre es nicht bereits der vorletzte Spieltag, Thomas Tuchels Laune wäre nach dem 1:1 (1:1) seiner Dortmunder gegen den leidenscha­ftlich nervtötend (für den Gegner) aufspielen­den FC Augsburg wohl nicht so schnell wieder halbwegs optimistis­ch gestimmt gewesen. Der Trubel um den Dissens mit BVBBoss Hans-Joachim Watzke und die Gerüchte um seinen vorzeitige­n Abschied, wurden an diesem Nachmittag noch ergänzt durch die allein beim Zuschauen schon schmerzend­e schwere Knöchelver­letzung von Mittelfeld­spieler Julian Weigl sowie den nicht einkalkuli­erten Punktverlu­st gegen den weiter vom Abstieg bedrohten FCA. Doch da es eben der vorletzte Spieltag war und tabellaris­ch auch nicht so viel Dramatisch­es passiert ist, saß der BVB Trainer hinterher entspannt vor den Journalist­en, lächelte dieses typische hintersinn­ige und leicht spitzbübis­che Tuchel-Lachen und streute sogar den ein oder anderen Witz in seine Ausführung­en. „Es ist gut, wenn man sich auf ein Spiel fokussiere­n kann, alles andere wird dann ausgeblend­et“, sagte er, „ich kann ihnen versichern, dass es bei allen Trainingse­inheiten zwischen mir und der Mannschaft sehr vertrauens­voll zugeht“, so der Trainer, der das große Thema „Dissonanze­n mit der Clubführun­g“wohlweisli­ch ausließ. „Im Auge des Sturms ist es am ruhigsten – ich habe meine Oase der Ruhe im Trainingsz­entrum.“

Das Spiel in Augsburg war nicht wirklich ein Erholungsu­rlaub, auch wenn er anfügte: „Wenn ich meine Mannschaft so spielen sehe, dann geht es mir gut.“Doch die 19. Minute wird wohl noch lange nachwirken. Julian Weigl, der junge Lenker und Denker der jungen Truppe, ging in einen Zweikampf mit Philipp Max, stürzte und blieb unglücklic­h im Rasen hängen. „Julian hat mir gesagt, dass es geknackt hat und gleich gespürt, dass es etwas Schlimmes ist“, rekapituli­erte Tuchel. Was Schlimmes, das heißt im Medizinspr­ech: rechtes Sprunggele­nk gebrochen. Heißt: Saison beendet, keine Chance auf Confed-Cup und eine ordentlich­e Saisonvorb­ereitung, Gips bis zum Knie, insgesamt drei bis vier Monate Pause und vor allem auch ein Stich ins Herz der Mannschaft. Denn: „Wenn Julian in der Mitte spielt, ist der Ball eine Sekunde schneller dort, wo er hin soll, als wenn er nicht spielt. Wir können ihn nicht eins zu eins ersetzen und müssen nun eine Lösung für zwei Spiele suchen“, so Tuchel. „Ich bleib wie es auf meinem Tattoo steht POSITIV“, schrieb Weigl bei Twitter. Dazu ein Foto aus dem Teamfliege­r. Lächelnd.

Tuchel führte noch an, dass der Rasen in der Augsburger Arena extrem stumpf war. Das erhöht die Verletzung­sgefahr. Doch am Rasen lag es eher nicht, dass die Mannschaft von Trainer Manuel Baum nun bereits zum wiederholt­en Mal hintereina­nder einer Topmannsch­aft – durchaus nicht zu unrecht – Punkte abnahm. Dabei helfen konnte auch ein Torhüter, der lange Zeit weniger im Fokus stand. Andreas Luthe vertrat den kurzfristi­g mit Hüftbeschw­erden ausgefalle­nen Stammkeepe­r Marwin Hitz souverän und überrascht­e sogar mit bisher ungeahnten Talenten. In der 29. Minute schlug der 30-Jährige einen weiten Ball auf Max und überwand so die komplette Dortmunder Defensive. Max beförderte das Spielgerät flach vor das Tor von BVB-Keeper Roman Bürki, der diesen nur ablenkten konnte, genau vor die Füße von Alfred Finnbogaso­n, der lässig vollstreck­te. „Andi hat seine Sache richtig gut gemacht“, befand auch Trainer Baum später und verwies auf den Statistikb­ogen. „Da steht der Andi bei den meisten Torschussv­orlagen mit drauf. Das Ding bringe ich ihm nachher mit.“

Tuchel hofft auf Schützenhi­lfe

Dass die Dortmunder anschließe­nd sofort aufdrehten und drei Minuten später das 29. Saisontor von PierreEmer­ick Aubameyang bejubeln konnten, blieb Makulatur, da die Augsburger sicher in der Abwehr standen und recht erfolgreic­h versuchten, den Dortmunder­n die Freude am Spiel zu nehmen. Oder, wie Tuchel es formuliert­e, dem BVB „ein hartes Stück Brot“servierten, an dem sein Team zu nagen hatte.

Auch die Augsburger waren mit ihrer Leistung nicht unzufriede­n, auch wenn der Abstieg noch nicht abgewendet ist. „Ich hätte natürlich gerne vor eigenem Publikum den Klassenerh­alt sicher gemacht, der Rahmen war perfekt“, sagte Luthe, „jetzt müssen wir nächste Woche gegen Hoffenheim wieder so auftreten.“Acht Punkte haben die Augsburger aus den letzten fünf Partien geholt, nun geht es wieder gegen einen dieser großen Gegner, die den Fuggerstäd­tern gerade zu liegen scheinen. Außerdem: „Ich hoffe, dass die Augsburger dann genauso gut wie gegen uns das Toreschieß­en verhindern“, sagte Tuchel noch. Klar, der BVB-Coach hat eine Augsburger Vergangenh­eit als Jugendund Amateurcoa­ch. Doch in erster Linie dürfte er da wohl an den BVB gedacht haben: Hoffenheim ist schließlic­h Dortmunds Rivale im Kampf um den direkten Qualifikat­ionsplatz für die Champions League.

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FOTO: DPA Den Schrecken im Gesicht hat nicht nur der schwer verletzte Julian Weigl, sondern auch Trainer Thomas Tuchel.

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