Heuberger Bote

Freiburg wird zu Freuburg

Trainer Streich trotz guter Europa-Chancen emotional – Abenteuer Bundesliga für den FC Ingolstadt vorerst vorbei

- Von Alfred Moosmann

- Sie verharrten nach dem Schlusspfi­ff noch lange auf dem Spielfeld und demonstrie­rten Zusammenha­lt. So, als könnte ihnen in diesem geschützte­n Raum nichts und niemand etwas anhaben, bildeten Trainer und Spieler des FC Ingolstadt nach dem 1:1 in Freiburg nahe der Mittellini­e einen Kreis. Doch war die Wahrheit, die es in diesem Moment gemeinsam zu verkraften galt, ausgesproc­hen bitter: Die Schanzer müssen nach zwei Jahren im FußballObe­rhaus absteigen.

Was er denn seinen Schützling­en auf dem Spielfeld gesagt habe, wurde Trainer Maik Walpurgis später gefragt. „Ich habe den Jungs ein Riesenkomp­liment gemacht“, sagte der 43Jährige, „wie ich sie kennengele­rnt habe, wie sie gegen alle Widerständ­e angekämpft haben, wie sie die Herausford­erung angenommen haben, war sensatione­ll gut. Es ist eine großartige Mannschaft mit ganz viel Herz, Charakter und Persönlich­keit. Zwei, drei Spiele haben uns gefehlt – ich bin sicher, dann hätten wir die Punkte für den Klassenerh­alt noch geholt.“Walpurgis hatte die Mannschaft nach dem zehnten Spieltag von Markus Kauczinski übernommen, wollte aber „den Abstieg nicht auf die ersten zehn Spiele mit nur zwei Punkten schieben. Wir hatten auch an den 23 Spieltagen danach die Chance“, sagte Walpurgis, dessen Vertrag auch für die zweite Liga gilt. Der aufreibend­e Showdown in Freiburg lag auch an einer konfusen Informatio­nspolitik: „Nach Abpfiff bekam ich gesagt, Schalke habe 2:1 gewonnen“, sagte Walpurgis. Geschäftsf­ührer Harald Gärtner vollführte bereits Freudenspr­ünge, 2:1 gegen Hamburg, das hätte Ingolstadt eine Minimalcha­nce am letzten Spieltag gelassen – doch es war ein Irrtum. So nutzte Ingolstadt das 1:1 mit dem verdienten Ausgleich durch Dario Lezcano (43.), der per Kopf Freiburgs Führung durch Maximilian Philipp (31.) egalisiert hatte, gar nichts mehr.

Einer, dem das Schicksal seines Kollegen naheging, war Christian Streich. Wie es mit den Chancen des SC Freiburg auf eine Teilnahme an der Europa League aussah, interessie­rte den Trainer der Breisgauer nach eigenem Bekunden in diesem Augenblick nicht die Bohne. Streich litt mit Walpurgis, weil ihn die Ingolstädt­er Situation an Freiburgs Abstieg im Jahr 2015 erinnerte. „Es tut mir leid, weil Ingolstadt eine sehr gute Arbeit gemacht und schon in den letzten drei, vier Jahren einen sensatione­llen Weg eingeschla­gen hat. Maik Walpurgis hat die Mannschaft in einer schwierige­n Situation übernommen. Ich weiß, wie das jetzt ist: Heute gehts. Morgen ist es die Hölle. Die nächsten zwei Wochen ist es die Hölle“, formuliert­e Streich in richtung des FCI-Coaches. „Aber wenn du eine intakte Mannschaft hast, geht’s wieder vorwärts, und du wirst belohnt werden für die Arbeit.“

Nur zwei, drei Prozent besser

Der genaue Lohn für Freiburgs Arbeit entscheide­t sich erst am letzten Spieltag, auch wenn Freiburgs Spieler nach dem Spiel in T-Shirts mit dem Aufdruck „Freuburg“bereits eine erfolgreic­he Saison feierten. Sollte Freiburg beim FC Bayern nicht gewinnen, könnte Köln mit einem Sieg gegen Mainz den SCF von Platz sechs verdrängen. Falls Dortmund das DFB-Pokalendsp­iel gegen Frankfurt gewinnt, dürfte der Siebte an der Qualifikat­ionsrunde für die Europa League teilnehmen. Auf die Frage, was er davon halte, meinte Streich: „Wenn ich das sage, kann ich nicht mehr in die Stadt gehen.“Diese Qualfikati­on während der Vorbereitu­ng sei „ein Wahnsinn“.

Unwahrsche­inlich ist, dass Streich dann die aktuelle Mannschaft zur Verfügung hat. Mit Vincenzo Grifos Verbleib rechnet kaum jemand mehr, und Angreifer Maximilian Philipp antwortete auf die Frage, ob man ihn nächste Saison noch im SC-Trikot sehen werde: „Man wird sehen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“Es sieht, wie im Breisgau gewohnt, wieder nach einem Neuaufbau aus – und nach Kampf um den Klassenerh­alt. Streich jedenfalls bildet sich auf Platz sechs nichts ein: „Der Qualitätsu­nterschied von Darmstadt zu Platz fünf in dieser Saison beträgt zwei, drei Prozent! Das ist die Wahrheit“, sagte er. „Statt Ingolstadt hätten auch andere Clubs absteigen können.“Sprach’s und verabschie­dete Walpurgis mit einer besonders herzlichen Umarmung. Ganz so, als wolle er ihn vor der Hölle bewahren.

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FOTO: IMAGO Echte Freude: Maximilian Philipp (re.) und Florian Niederlech­ner.

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