„Zu Grundprinzipien der europäischen Bewegung zurückkehren“
Ehemaliger Sparkassendirektor Ortwin Guhl hält Vortrag vor Gosheimer CDU-Mitgliedern
- Dass Europa am Scheideweg steht, versuchte der ehemalige Sparkassendirektor Ortwin Guhl in der „Krone“den Gosheimer CDUMitgliedern klarzumachen. In einem spannenden, rund zwei Stunden dauernden Vortrag, beschrieb Guhl als überzeugter Europäer Lösungswege aus der europäischen Identitätskrise.
Ausgehend von den Römischen Verträgen, die 1957 ein „gemeinsames Europa“zum Inhalt hatten, schilderte Guhl Stärken und Schwächen dieser Institution, die offenbar ihre Anziehungskraft verloren habe. Der Maastricht-Vertrag habe zum Inhalt gehabt, Europa zu einem Gebilde der „Gemeinsamkeit in der Vielfalt“zu machen. Trotz vieler Vorteile für die Mitglieder wachse aber der Unmut gegenüber einem gemeinsamen Europa, weil „die Mitgliedstaaten von Anfang an den Geist der Verträge missachtet haben“.
Guhl führte zahlreiche Beispiele für eine offensichtliche Fehlentwicklung auf und folgerte: „Die EU hat nur eine Zukunft als Gemeinschaft des Rechts.“Dezidiert ging Guhl auf die fiskalischen und geopolitischen Rahmenbedingungen ein, die zu einer beträchtlichen Unsicherheit geführt hätten. Ziemlich klar äußerte er sich hinsichtlich der künftigen politischen Herausforderungen dergestalt, dass Ehrlichkeit und Regelakzeptanz genauso zwingend notwendig seien, wie die Auflösung der Verflechtung zwischen Banken und Staaten. Guhl: „Eine Bank und ein Staat müssen auch pleite gehen können.“
Guhls Lösungswege, die hier nicht im Einzelnen geschildert werden können, sind, „dass die Finanzwirtschaft zu ihrer dienenden Funktion für das Ganze zurückkehren muss, das heißt die Kultur des Sparens, der soliden Finanzierung, des Eingehens von kalkulierbaren Risiken, der Haftung für das eigene Tun“. Er baut auf Vertrauensbildung, eine „gewisse Gelassenheit und einen kühlen Kopf “und den „Mut, Entscheidungen auch abzubrechen, wenn sie sich nicht als erfolgversprechend herausstellen“.
Vertrauen in EZB erschüttert
Kritisch äußerte sich Guhl hinsichtlich des Handelns der Europäischen Zentralbank, weil sie das Vertrauen in die Institution und letztlich in den Geldwert erschüttere. Guhl forderte: „Das Prinzip Subsidiarität und der demokratischen Selbstbestimmung soll auf der ersten Stelle der Agenda stehen. Wir müssen zu den Grundprinzipien der europäischen Bewegung zurückkehren, wohl wissend, dass das europäische Projekt mit den Prinzipien der Integration, Souveränität und Demokratie nicht frei von Widersprüchen ist.“
Vor allen Dingen sei es eine Herausforderung für Deutschland, weil die Subsidiarität auf der einen Seite Frieden, Freiheit und Wohlstand fördere, auf der anderen Seite die Völker identitätserhaltend handeln könnten. Weil Amerika nicht mehr alles richten könne, müsse Europa „Flagge zeigen“. Um mit Genschers Worten zu sprechen: „Deutschland ist nicht dazu da, die Völker zu spalten, sondern sie um sich zu sammeln.“Guhl forderte, dass Deutschland eine Führungsrolle übernehmen müsse. Gemeinsam müsse man mit Frankreich die Zukunft der nachfolgenden Generationen sichern.