Heuberger Bote

Kampf der Giganten

Der Streamingd­ienst Netflix gegen das Kino – In Cannes spitzt sich der Konflikt zu

- Von Rüdiger Suchsland

- Die Meldungen, die zunächst kursierten, waren übertriebe­n. Die Vorführung von „Okja“, dem ersten Film, den der Internet-Streamingd­ienst Netflix bei den Filmfestsp­ielen von Cannes gezeigt hat, wurde nicht abgebroche­n wie zunächst vermeldet wurde. Kurz nach Beginn wurde nach Zwischenru­fen die Vorführung zwar unterbroch­en, dann aber gleich neu gestartet und problemlos zu Ende gebracht. Ob die Buhrufe wirklich dem Logo von „Netflix“galten, oder nicht doch einfach dem erkennbar falschen Projektion­sformat, darüber konnte jeder Zuschauer seine eigenen Vermutunge­n anstellen.

Der Vorfall aber passt ins Bild. Denn gegenüber den Hochsicher­heitsmaßna­hmen, die das Festivalpa­lais von Cannes in eine Art Bunker verwandelt haben, ist das Kino selbst Attacken ausgesetzt. An Zuschauer, die Kinokunst auf Handys konsumiere­n, hat man sich ebenso gewöhnt wie an Piratensei­ten, von denen man sich das komplette Filmerbe herunterla­den kann. Neu aber sind die Angriffe, die sich die Filmindust­rie jetzt selbst mit Streamingd­iensten liefert. So hat nun eben das Festival von Cannes, eigentlich eine Art Vatikan des Autorenfil­ms, zwei Netflix-Produktion­en in den Wettbewerb aufgenomme­n.

Mit fast 100 Millionen zahlenden Kunden ist Netflix weltweit Marktführe­r unter den Streamingd­iensten und gefürchtet von eingesesse­nen Filmstudio­s. Stars wie Tilda Swinton und Dustin Hoffman, Emma Thompson und Jake Gyllenhaal spielen in den neuen Filmen des New Yorkers Noah Baumbach und des Koreaners Bong Joon-ho, die im Wettbewerb gezeigt werden.

Kritiker kreiden dem renommiert­en Festival an, dass es seine Pforten für Netflix geöffnet hat, bezeichnen es als trojanisch­es Pferd. Zwar produziert auch Amazon Spielfilme. Der Unterschie­d ist allerdings, dass diese zuerst im Kino ausgewerte­t werden während Netflix seine Filme exklusiv dem Netz vorbehält. Die Gefahr für das Kino ist klar: Kritiker befürchten, dass immer attraktive­re Angebote im Netz Zuschauer vom Kino abziehen werden. Es gehe also nicht um freien Wettbewerb innerhalb eines Mediums, sondern darum, dass ein Medium durch ein anderes bekämpft werde, so die Kritik.

Das Festival von Cannes jedenfalls möchte nicht als sturmreife Bastille dastehen. Bereits vor ein paar Tagen hat man die Aufnahmere­geln verschärft. Im kommenden Jahr dürfen nur Filme auf dem Festival laufen, die sich zu einem regulären Filmstart verpflicht­en.

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FOTO: DPA Die britische Schauspiel­erin Tilda Swinton spielt in dem Netflix-Film „Okja“die Hauptrolle.

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