Kampf der Giganten
Der Streamingdienst Netflix gegen das Kino – In Cannes spitzt sich der Konflikt zu
- Die Meldungen, die zunächst kursierten, waren übertrieben. Die Vorführung von „Okja“, dem ersten Film, den der Internet-Streamingdienst Netflix bei den Filmfestspielen von Cannes gezeigt hat, wurde nicht abgebrochen wie zunächst vermeldet wurde. Kurz nach Beginn wurde nach Zwischenrufen die Vorführung zwar unterbrochen, dann aber gleich neu gestartet und problemlos zu Ende gebracht. Ob die Buhrufe wirklich dem Logo von „Netflix“galten, oder nicht doch einfach dem erkennbar falschen Projektionsformat, darüber konnte jeder Zuschauer seine eigenen Vermutungen anstellen.
Der Vorfall aber passt ins Bild. Denn gegenüber den Hochsicherheitsmaßnahmen, die das Festivalpalais von Cannes in eine Art Bunker verwandelt haben, ist das Kino selbst Attacken ausgesetzt. An Zuschauer, die Kinokunst auf Handys konsumieren, hat man sich ebenso gewöhnt wie an Piratenseiten, von denen man sich das komplette Filmerbe herunterladen kann. Neu aber sind die Angriffe, die sich die Filmindustrie jetzt selbst mit Streamingdiensten liefert. So hat nun eben das Festival von Cannes, eigentlich eine Art Vatikan des Autorenfilms, zwei Netflix-Produktionen in den Wettbewerb aufgenommen.
Mit fast 100 Millionen zahlenden Kunden ist Netflix weltweit Marktführer unter den Streamingdiensten und gefürchtet von eingesessenen Filmstudios. Stars wie Tilda Swinton und Dustin Hoffman, Emma Thompson und Jake Gyllenhaal spielen in den neuen Filmen des New Yorkers Noah Baumbach und des Koreaners Bong Joon-ho, die im Wettbewerb gezeigt werden.
Kritiker kreiden dem renommierten Festival an, dass es seine Pforten für Netflix geöffnet hat, bezeichnen es als trojanisches Pferd. Zwar produziert auch Amazon Spielfilme. Der Unterschied ist allerdings, dass diese zuerst im Kino ausgewertet werden während Netflix seine Filme exklusiv dem Netz vorbehält. Die Gefahr für das Kino ist klar: Kritiker befürchten, dass immer attraktivere Angebote im Netz Zuschauer vom Kino abziehen werden. Es gehe also nicht um freien Wettbewerb innerhalb eines Mediums, sondern darum, dass ein Medium durch ein anderes bekämpft werde, so die Kritik.
Das Festival von Cannes jedenfalls möchte nicht als sturmreife Bastille dastehen. Bereits vor ein paar Tagen hat man die Aufnahmeregeln verschärft. Im kommenden Jahr dürfen nur Filme auf dem Festival laufen, die sich zu einem regulären Filmstart verpflichten.