Heuberger Bote

Ein Fest zum Kennenlern­en in Wehingen

Gruppe unbegleite­ter minderjähr­iger Flüchtling­e lädt ein – Erlös für Kindergärt­en

- Von Regina Braungart

- „Die“, so sagen wohl manche im Dorf über die sieben jungen Männer, die in einer betreuten Wohngruppe in Wehingen wohnen. Und wenn das „Die“diesen unfreundli­chen Unterton hat, der ausdrückt, dass man scheinbar ganz genau weiß, wen man hier vor sich hat, dann verletzt das. Die Jugendlich­en spüren: Das ist eine Angelegenh­eit des Friedens oder Unfriedens.

Die sieben unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­e zwischen 16 und 19 Jahren haben daher zusammen mit ihren Betreuern Tayfun Yengec und John Matthis beschlosse­n, im Rahmen einer Veranstalt­ung des Vereins Jugend für Deutschlan­d auf die Wehinger zuzugehen. Sie sind überzeugt: Nur wenn man nichts von einander weiß und sich nicht kennt, bleibt das „Die“und wird nicht zum „Wir.“Am kommenden Donnerstag, Vatertag und Christi Himmelfahr­t, laden sie ins Pfarrer-Hornung-Heim ab 14 Uhr ein.

Auslöser für das Fest war, dass jemand berichtet hat, im Dorf würde schlecht über „Die“gesprochen. Meist mit der Unterstell­ung, wer seine Religion, den Islam lebt, der müsse wohl auch sowas wie ein Salafist sein. Abdel Karim habe gesagt: „Warum denken die Leute so über uns, wir sind doch keine schlechten Menschen?“

„Viele Privatleut­e unterstütz­en uns für das Fest“, sagt Yengec. UrHeuberge­r genauso wie Leute mit türkischem, russischem oder italienisc­hem Hintergrun­d. Bernd Krause zum Beispiel, der Kässpätzle machen wird, Josefine Soltay aus Egesheim oder Sonay Demirel und Kenan Demirel aus Reichenbac­h.

Yengec ist der Region kein Unbekannte­r. Seit deutlich über zehn Jahren versucht er mit verschiede­nen Projekten, junge Menschen verschiede­ner Richtungen zusammen zu bringen und jungen Muslimen ein menschenfr­eundliches, für alle Kulturen, Lebensform­en und Herkünfte aufgeschlo­ssenes Verständni­s des Islam nahe zu bringen.

Er ist überzeugt, dass nur das Nicht-Wissen über die eigene Religion, das Nicht-Wissen darüber, dass in allen drei großen monotheist­ischen Religionen die Zehn Gebote als Leitlinie und die Nächstenli­ebe als Gebot ganz oben stehen, zu religiösen Spannungen führt. Felsenfest ist er davon überzeugt, dass wer nur will, mit allen anderen in Frieden leben kann.

So geht er auch mit den jungen Männern um und findet seinen Widerhall. Die vier Syrer, ein Afghane, ein Junge von der Elfenbeink­üste, einer von Guinea sind zwar alle Muslime, aber der verschiede­nsten Glaubensri­chtungen. In ihren Heimatländ­ern wären sie womöglich dazu gezwungen worden, in Armeen und Milizen gegeneinan­der zu kämpfen. Darum sind die meisten geflohen. Manchmal mit einem Bruder, die meisten allein.

In Wehingen leben sie zusammen. Ob sie wohl so etwas wie eine Familie werden?, fragt die Reporterin. „Wir sind doch schon eine Familie“sagt ein junger Syrer, der in großer Sorge um seine Familie im umkämpften Raqqa ist. Wochenlang habe er nicht von ihnen gehört. Der Blick wirkt kurz in sich gekehrt. Aber er will wie die anderen nach vorne schauen. Alle können sich meist ganz gut schon auf Deutsch verständig­en, gehen zur Schule. Fußball, Ausflüge, Einkaufen, Arztbesuch­e, Fitnessstu­dio – die Jugendlich­en wollen die Wehinger kennen lernen.

Die Gepflogenh­eiten zu lernen, wie man sich als junger Mann so verhält, all das wollen sie wissen. Fehler gibt es, zu laute Musik etwa, klar. Jugendlich­e sind Jugendlich­e. Aber bis abends ist ein Betreuer da und wenn etwas sein sollte, ist der in Wehingen lebende Matthis ansprechba­r.

Eine Ausbildung, Realschula­bschluss, lernen. Das wollen die jungen Männer. Sie freuen sich über ihr Projekt, haben Schiffe gebaut, die als Seifenhalt­er dienen. Diese werden an dem Begegnungs­nachmittag verkauft. Anas Mahmood schnitzt ein extra großes Schiff, das versteiger­t werden soll. Außerdem werden zwei Gemeinscha­ftsbilder der Wehinger Kindergart­enkinder versteiger­t. Der Erlös der Veranstalt­ung geht an die Eltern der Wehinger Vorschüler, um Schulsache­n zu kaufen.

Bildung ist ein Schlüsselb­egriff für den veranstalt­enden Verein. „Wir bilden Frieden“lautet denn auch das Motto des Nachmittag­s am Donnerstag. Mortaza Noori kocht Leckereien aus Afghanista­n, außerdem gibt es einige Helfer und Helferinne­n wie Yengec Frau Christina, die sich ums leibliche Wohl sorgen.

Diakon Fascia wird vorbei schauen und ein Grußwort sprechen und ein Professor für islamische Theologie der Uni Tübingen einen kleinen Vortrag halten.

Alle sind eingeladen, sagten die sieben jungen Männer und Yengec. Es geht um Frieden, ums Kennenlern­en. Und auch ums „Danke“sagen an Deutschlan­d, so gut aufgenomme­n worden zu sein.

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FOTO: REGINA BRAUNGART „Wenn Sie einmal Hilfe brauchen, einfach sagen“, bietet Tayfun Yengec den beiden Kindergart­enleiterin­nen Gabriele Wellai und Rosi Linse vom Kindergart­en St. Ulrich und vom Kindergart­en Christköni­g an. Sechs der sieben minderjähr­igen Flüchtling­e der...
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