Michel Barnier drückt aufs Tempo
EU einigt sich auf Mandat für Brexit-Verhandlungen mit London ab dem 19. Juni
- Knapp drei Wochen vor der Parlamentswahl in Großbritannien ist die EU startklar für die Brexit-Verhandlungen. Die Europaminister der Mitgliedsstaaten einigten sich am Montag in Rekordzeit auf die Modalitäten und setzten eine Arbeitsgruppe ein, die Verhandlungsführer Michel Barnier bei den Gesprächen unterstützen soll. Barnier will dieses flotte Tempo beibehalten.
Schon am 19. Juni, knapp zwei Wochen nach der Wahl, will er sich mit seinem britischen Partner treffen. Eine Woche später möchte er das EUParlament unterrichten. „Wir sind fertig und gut vorbereitet“, erklärte Barnier auf Englisch, um jenseits des Kanals verstanden zu werden.
Barnier betont, er drücke aufs Tempo, weil die juristische Unsicherheit der Übergangsphase so schnell wie möglich beendet werden müsse. Bei seinem Besuch in Irland habe er erfahren, wie groß die Ängste bei Landwirten, Unternehmern und Bewohnern diesseits und jenseits der Grenze zu Nordirland seien.
Eine „harte Grenze“müsse dort nach dem Austritt Großbritanniens unbedingt vermieden werden, um den Friedensprozess nicht zu gefährden und den wirtschaftlichen Aufschwung nicht zu bremsen. Überall in der EU brauchten diejenigen, die von Förderprogrammen profitierten, Planungssicherheit. Sie müssten rasch wissen, welche finanziellen Mittel nach dem Rückzug Großbritanniens zur Verfügung stünden.
Wie aus den Vorgesprächen Barniers mit den Regierungen durchsickerte, warnt der Franzose vor überzogenen Finanzforderungen, die die Gespräche zum Scheitern bringen könnten. Einige Regierungen bestehen darauf, dass London sämtliche vertraglich eingegangenen Verpflichtungen bis weit über den Austrittstermin hinaus erfüllt.
Experten berechnen die Kosten für die Briten auf deutlich mehr als 100 Milliarden Euro. Als Beispiel wurde der EU-Türkei-Deal genannt, in dem sich die EU zur Zahlung von sechs Milliarden Euro an Ankara verpflichtet, als Hilfe für die in der Türkei betreuten syrischen Flüchtlinge. Großbritannien als einer der größten EU-Nettozahler müsste mehr als eine Milliarde übernehmen.
Den britischen Wählern dürfte kaum zu vermitteln sein, dass ihre Steuergelder weit über den Austrittstag hinaus nach Brüssel fließen. Doch ohne grundsätzliche Einigung bei den Finanzen, den Rechten der in Großbritannien lebenden EU-Ausländer und der Grenze zwischen Irland und Nordirland wird Barnier den Regierungschefs nicht empfehlen, über einen neuen Partnerschaftsvertrag zu sprechen. Schon Ende des Jahres will er soweit sein – angesichts der strittigen Fragen ein mehr als ehrgeiziger Plan.