Kritische Worte im Schloss Versailles
Emmanuel Macron spricht beim Besuch von Wladimir Putin Konfliktthemen ungewohnt offen an
- Die „Schlachtengalerie“hatte Emmanuel Macron für seine Pressekonferenz mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin ausgesucht. Der 120 Meter lange Saal mit Kampfszenen im Schloss von Versailles sollte zeigen, dass der französische Staatschef seinem Kollegen selbstbewusst begegnen will.
Das machte der 39-Jährige nach dem Gespräch mit Putin am Montag vor rund 200 Journalisten klar. Von einem „offenen und direkten Austausch“sprach Macron, der sich nicht in diplomatischen Floskeln erging. Klar nannte er im Syrien-Krieg die „rote Linie“, die für Frankreich im Einsatz von Chemiewaffen bestehe: „Da wird es sofort französische Vergeltungsmaßnahmen geben.“
Zum Ukraine-Konflikt vereinbarten die beiden Präsidenten, die vor dem Mittagessen im Restaurant des Sternekochs Alain Ducasse anderthalb Stunden miteinander gesprochen hatten, ein neues Treffen im „Normandie-Format“. Er wolle in den kommenden Stunden mit Bundeskanzlerin Angela Merkel darüber sprechen, kündigte Macron an. An den Normandie-Treffen nehmen neben Frankreich und Russland auch Deutschland und die Ukraine teil.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger François Hollande, der Menschenrechtsfragen zumindest in der Öffentlichkeit immer ausgespart hatte, sagte Macron: „Ich habe Wladimir Putin an die Bedeutung erinnert, die der Respekt der Minderheiten hat. Ich werde immer wachsam bleiben in diesem Punkt, der unseren Werten entspricht.“
Die Begegnung mit den Journalisten diente auch dazu, die Vorwürfe russischer Einmischung in den französischen Präsidentschaftswahlkampf aufzuarbeiten. Putin hatte indirekt die Rechtspopulistin Marine Le Pen unterstützt und sie im Kreml empfangen.
Macrons Wahlkampfteam war dagegen Ziel von Hackerangriffen, die möglicherweise von Russland aus gesteuert waren. Russische Medien verbreiteten außerdem Gerüchte über den sozialliberalen Kandidaten.
Zum Empfang Le Pens antwortete Putin: „Wir empfangen jeden, jederzeit. Das bedeutet nicht, dass wir versucht haben, die Wahlen zu beeinflussen.“Macron zufolge hatten die beiden Politiker die Probleme im Wahlkampf bereits in ihrem ersten Telefongespräch erörtert.
Pragmatische Haltung
„Ich bin Pragmatiker“, bekannte der Präsident. „Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte und will nun vorankommen.“Es gebe Meinungsverschiedenheiten. „Aber wir schauen darauf, wie wir gemeinsam handeln können. Sonst kommen wir bei der Ukraine und bei Syrien nicht voran.“
Putin zeigte sich in der Pressekonferenz geschmeichelt, dass Macron ihn nach Versailles einlud, wo beide eine Ausstellung zum Besuch von Zar Peter dem Großen 1717 in Frankreich einweihten. Die Kulisse des Schlosses von Sonnenkönig Ludwig XIV. passt zur Inszenierung Macrons, der sich in einer Linie mit großen französischen Präsidenten wie François Mitterrand oder Charles de Gaulle sieht.
Mitterrand hatte 1982 einen G7Gipfel in dem königlichen Dekor veranstaltet. Der Kreml-Chef hofft durch den Besuch auf einen Neuanfang in den Beziehungen zu Frankreich und damit auch zu Europa, das seine Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Konflikts aufrechterhält. Im Herbst hatte Putin eine Paris-Reise abgesagt, nachdem der damalige Präsident Hollande lediglich über Syrien mit ihm reden wollte, dessen Präsident Baschar alAssad von Moskau unterstützt wird.
Macron traf Putin nur wenige Tage, nachdem er bei der Nato und der G7-Gruppe seine ersten Schritte auf dem diplomatischen Parkett gemacht hatte. In Erinnerung blieb davon vor allem der Händedruck zwischen dem französischen Präsidenten und Donald Trump, der zu einer Art Kraftprobe wurde. „Donald Trump, der türkische Präsident oder der russische Präsident sind in einer Logik des Kräftemessens, was mich nicht stört. Ich lasse nichts durchgehen. So verschafft man sich Respekt“, sagte Macron hinterher in einem Zeitungsinterview.