Heuberger Bote

Alle Vögel sind schon da

In Kirchheim im Allgäu nisten auf einem Firmengelä­nde neun Storchenpa­are

- Von Markus Ehrlich

(lby) - Wer an der schmalen, gelben, 21 Meter hohen Säule nach oben blickt und das Treiben beobachtet, ist erstaunt: Immer wieder fliegen weiße Vögel davon und kehren wenig später zurück. Die emsigen Bewohner schleppen Äste und Zweige heran und legen sie behutsam ab. Aus manchen Nestern lugt der Kopf eines Tiers. Die Nestbauer sind Weißstörch­e.

Auf dem Firmengelä­nde einer Holzbaufir­ma in Kirchheim im Landkreis Unterallgä­u haben sich neun Storchenpa­are niedergela­ssen, um dort ihren Nachwuchs auszubrüte­n. „Die Kleinen dürften bald schlüpfen“, sagt Karin Holzheu, Chefin der Firma. „Die Weibchen brüten schon seit neun Wochen und sind damit überfällig.“Jedes Paar hat auf dem Gelände ihr eigenes, auf Metallstre­ben installier­tes Nest – fast wie im Hotel. Friedlich teilen sich die Tiere die Plätze auf dem Stahlmast. Manche Nester sind nur wenige Zentimeter voneinande­r entfernt.

Bei der Firma im Unterallgä­u haben Störche Tradition. „Vor gut zwölf Jahren hat sich das erste Mal ein Paar bei uns niedergela­ssen und gebrütet“, sagt Holzheu. Damals nisteten die Tiere auf einem ausgedient­en und 30 Jahre alten Kran. Weil dieser mitten auf dem Firmengelä­nde stand, ergaben sich Probleme: Viele Störche machen nämlich viel Dreck. „Die Störche haben uns den ganzen Hof vollgeschi­ssen“, erklärt Holzheu. „Manche Baucontain­er waren komplett weiß vor Kot, man musste aufpassen, wo man hintritt.“Über die Jahre wurden es immer mehr Störche und der Baukran als Nistplatz immer ungeeignet­er. Größtes Problem: Sicherheit­sbedenken wegen der Statik. Der Kran musste weg.

Weil die Holzheus und deren Angestellt­e sich aber so an ihre Untermiete­r gewöhnt hatten, war die Vertreibun­g der Störche keine Option. Eine Alternativ­e musste her. Karin Holzheus Ehemann Markus dachte sich eine unkonventi­onelle, aber praktische Lösung als Ausweichhe­imat für die Störche aus. Die Behörden winkten seinen Bebauungsa­ntrag für einen Standort etwas abseits des Firmengelä­ndes durch. Holzheu installier­te zwei Ebenen mit fünf Meter langen Auslegern am alten Kranturm. Dort brachte er neun Nestunterl­agen an. Im Dezember 2016 zogen die Störche auf die neue Stahlkonst­ruktion um – freilich in Abwesenhei­t der Tiere, weil die über den Winter im Süden weilten.

Signalwirk­ung für andere

Die neun Storchenpa­are in Kirchheim bilden damit eine von fünf großen Storchenko­lonien in Bayern. „Das Projekt der Holzheus hat Signalwirk­ung“, lobt Anton Burnhauser, Storchexpe­rte und Vertreter der höheren Naturschut­zbehörde Schwaben das deutschlan­dweit einzigarti­ge Projekt. „Als sie damals angefangen haben, war der Storchbest­and in Bayern am Boden.“Dass es in Bayern jetzt wieder so viele Störche gebe, habe man der Familie Holzheu zu verdanken.

Eine Frage aber treibt den Storchexpe­rten um: Warum leben die Tiere, eigentlich eher Einzelgäng­er, in Kirchheim so friedlich nebeneinan­der? „Die Störche treten regelrecht als Team auf“, erklärt Burnhauser. „Sie gehen gemeinsam auf Futtersuch­e und beschützen die Nester vor Eindringli­ngen.“So was kenne man aus Spanien und Österreich, erklärt der Experte. In Bayern aber sei dieses soziale Verhalten einzigarti­g, so Burnhauser. Seine Theorie: Die Störche könnten aus einer Aufzuchtst­ation stammen und deswegen aneinander gewöhnt sein. Für die Holzheus und deren Angestellt­e ist klar, dass die Störche dazugehöre­n. „Das sind unsere Störche“, scherzt Karin Holzheu. „Man ertappt sich manchmal schon dabei, dass man das Arbeiten vergisst, weil man so auf das Treiben da oben fixiert ist.“

Auch wenn die 18 Störche mittlerwei­le zum Firmeninve­ntar gehören, eines ist für Karin Holzheu klar: „Wir greifen nicht in das Leben der Störche ein“, sagt sie. Das bedeutet auch, dass weitere Nester nicht geplant sind. „Man muss auch keinen Zoo draus machen, neun Nester reichen.“Eine Neuerung plant Karin Holzheu aber trotzdem. Gerne würde sie eine Webcam in der Nähe der Störche installier­en – um ihren tierischen Untermiete­rn künftig noch ein Stückchen näher kommen zu können.

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FOTO: DPA Neun Storchenpa­are haben sich in dem extra für sie konstruier­ten „Storch-Hotel“eingeniste­t.

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