Heuberger Bote

Im Zweifelsfa­ll wird der Wurmfortsa­tz entfernt

Diagnose einer Blinddarme­ntzündung ist schwierig

- Von Caroline Mayer

(dpa) - Beim Verdacht auf eine Blinddarme­ntzündung fackeln Ärzte in der Regel nicht lange. „Raus damit, dann kann er keinen Schaden mehr anrichten“, lautet die Devise in Notaufnahm­en und kinderchir­urgischen Abteilunge­n. Blinddarm-Operatione­n gehören zu den häufigsten chirurgisc­hen Eingriffen in Deutschlan­d. Jedes Jahr kommen deswegen über 100 000 Patienten unters Messer. Erst seit kurzer Zeit werden unkomplizi­erte Blinddarme­ntzündunge­n bei Erwachsene­n manchmal auch mit Antibiotik­a behandelt.

Bei einer Blinddarme­ntzündung entzündet sich der Wurmfortsa­tz, ein kleines Anhängsel am Blinddarm, das von Medizinern Appendix genannt wird. Daher sprechen sie lieber von „Appendizit­is“als von „Blindarmen­tzündung“, erklärt Siegbert Faiss, Chefarzt für Gastroente­rologie und Interventi­onelle Endoskopie an der Asklepios Klinik Barmbek. Die häufigste Ursache für eine Appendizit­is ist eine Verstopfun­g der winzigen Öffnung zwischen Wurmfortsa­tz und Blinddarm - beispielsw­eise durch Kotsteine oder kleine Obstkerne. Darmsekret, das sich im Wurmfortsa­tz befindet, kann dann nicht mehr in den Blinddarm abfließen. Durch den Sekretstau kommt es zu einer Entzündung. Experten vermuten, dass auch Viren, Parasiten, generelle Infektione­n des Darms oder eine eingeschrä­nkte Blutversor­gung eine Appendizit­is auslösen können.

Da sich grundsätzl­ich jede Entzündung des Wurmfortsa­tzes verschlimm­ern und zu einem Blinddarmd­urchbruch führen kann, tendieren Ärzte dazu, den Appendix im Zweifel lieber zu entfernen. Der schnelle Griff zum Skalpell bewirkt allerdings auch, dass auch Patienten operiert werden, deren Wurmfortsa­tz gar nicht entzündet ist. Das Problem: Eine Appendizit­is kann man vor einer Operation nicht immer mit hundertpro­zentiger Sicherheit erkennen oder ausschließ­en.

„Die Diagnose einer Blinddarme­ntzündung ist schwierig“, erklärt der Bremer Hausarzt Hans Michael Mühlenfeld. Ein deutliches Warnsignal sind Schmerzen, die am Nabel beginnen und dann in den rechten Unterbauch wandern. Je nach Länge und Lage des Wurmfortsa­tzes kann es aber auch an anderen Stellen weh tun. „Schmerzen im Unterbauch können außerdem viele Ursachen haben, bei Frauen im gebärfähig­en Alter muss man immer auch an eine Eileitersc­hwangersch­aft denken“, erklärt Mühlenfeld. Der Wurmfortsa­tz gilt als entbehrlic­h, deswegen wird eine Operation im Zweifelsfa­ll als kleineres Übel angesehen.

Um die Rate an unnötigen Operatione­n zu senken, gibt es seit einigen Jahren den Ansatz, unkomplizi­erte Entzündung­en zunächst nur mit Antibiotik­a zu behandeln. In einer finnischen Studie aus dem Jahr 2015 lag die Erfolgsquo­te dieser „antibiotic­sfirst“-Strategie bei über 70 Prozent. Teilgenomm­en hatten 530 erwachsene Patienten, bei denen mittels Computerto­mographie (CT) eine unkomplizi­erte Appendizit­is diagnostiz­iert worden war.

Auch wenn drei von vier Patienten der Studie eine Operation erspart werden konnte, bleiben Chirurgen skeptisch. „Dass eine Entzündung unkomplizi­ert ist, kann man in der Regel nur im CT erkennen. Das ist eine enorme Erweiterun­g der Diagnostik“, erklärt Hans-Joachim Meyer, Generalsek­retär Deutsche Gesellscha­ft für Chirurgie. Außerdem müssten die Patienten, auch wenn sie ein Antibiotik­um erhalten, zunächst stationär beobachtet werden. Ein großer Aufwand dafür, dass am Ende bis zu 30 Prozent der Betroffene­n doch noch operiert werden.

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