Heuberger Bote

Die Rehkitz-Retter aus Schwaben

Zwei Jäger bewahren die Tiere in der Erntesaiso­n mit Drohne samt Wärmebildk­amera vor dem Tod

- Von Fabian Nitschmann und Matthias Balk

(lby) - Seit zwei Wochen klingelt der Wecker von Rupprecht Walch und Dieter Hampel bereits um drei Uhr in der Früh. Spätestens um vier stehen die beiden auf den Feldern rund um Nördlingen (Landkreis Donau-Ries), 50 Meter über ihnen surrt eine Drohne. Vier Stunden sind die beiden täglich auf der Suche nach Rehkitzen – um sie vor dem sicheren Tod durch den Mähdresche­r zu retten.

Denn die Zeit der Wiesenmahd ist für die jungen Tiere sehr gefährlich. Die Mähdresche­r auf den Feldern werden immer größer, die Maschinen immer schneller. Doch die Rehkitze lassen sich davon nicht aus ihren gemütliche­n Plätzen im hohen Gras verscheuch­en. „Die Kitze haben von der ersten bis zur vierten Woche keinen Fluchtinst­inkt“, erklärt Walch, der als Berufsjäge­r im Nördlinger Ries arbeitet. Statt vor den gefährlich­en Maschinen wegzulaufe­n, ducken sich die Tiere nur und verharren an Ort und Stelle.

Die Folge: Jährlich sterben zahlreiche Rehkitze auf den Feldern. Die Drohne, ausgestatt­et mit einer Wärmebildk­amera, soll das zumindest im Norden Schwabens in diesem Jahr verhindern. Je kälter es draußen ist, desto besser können Walch und der ehrenamtli­che Jäger Hampel die Rehkitze in ihren Verstecken finden. „Die Kitze strahlen eine Temperatur von etwa 25 Grad ab. In der Früh sind sie also am besten zu sehen“, sagt Walch. Mit Funkgeräte­n lotst der Drohnenpil­ot seinen Begleiter dann an die richtige Stelle, um das Rehkitz aus dem Feld zu holen.

Mit Handschuhe­n und Gras

Dass die Aktion Erfolg hat, haben die vergangene­n Tage bereits eindeutig bewiesen. Innerhalb von zwei Wochen haben Walch und Hampel rund 80 Jungtiere aus den Feldern gerettet. „Wir tragen die Kitze mit Gummihands­chuhen und Gras drumherum aus den Feldern“, sagt Walch. So habe es bisher auch keine Probleme mit den Geißen gegeben, die ihren Nachwuchs wieder aufnehmen.

Initiiert wurde die Tierschutz-Offensive vom Verein für Deutsche Wachtelhun­de Baden-Württember­g Nord, der gleich zwei Drohnen mit Wärmebildk­amera für jeweils rund 12 500 Euro angeschaff­t hat. „Wir stellen dem Verein die Reviere im Nördlinger Ries zur Verfügung, damit die Hunde ausgebilde­t werden können“, sagt Walch. Im Gegenzug leiht der Verein den Jägern die Droh- ne für die Rehrettung. Innerhalb von rund fünf Minuten können Walch und Hampel damit einen Hektar Wiesenfläc­he absuchen. Je nach Beschaffen­heit der Felder schaffen sie jeden Morgen 20 bis 30 Hektar, ehe es gegen 8 Uhr zu warm wird und sie die Kitze nicht mehr genau erkennen können. Ein großer Zeitaufwan­d, der für die einzelnen Landwirte zu groß wäre. Dem Bayerische­n Bauernverb­and ist dementspre­chend nur eine Handvoll Landwirte bekannt, die bei ihrer Arbeit Drohnen einsetzen. „Die Drohnen- und Kameratech­nik hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich weiterentw­ickelt. Die Nutzung ist aber noch nicht flächendec­kend“, sagt Verbands-Sprecher Markus Peters.

Die Rehrettung sei dabei nicht das einzige Einsatzfel­d, Drohnen seien auch bei Themen wie der Optimierun­g des Nährstoffe­insatzes hilfreich.

Für die Vertreibun­g von Rehen aus den Feldern sei zuletzt vor allem der sogenannte Rehkitz-Retter eine erfolgreic­he Innovation gewesen. Das mit einem Akku betriebene Ge- rät vertreibe Rehe wenige Tage vor dem Mähen mit Lichtblitz­en und akustische­n Signalen in einem Umkreis von 100 Metern.

Der Einsatz von Drohnen könnte nun zu einer neuen, vielverspr­echenderen Methode werden. Der Verein Rehrettung Hegau-Bodensee beobachtet bereits einen deutlich steigenden Einsatz von Drohnen bei der Rehrettung, ohne genaue Zahlen nennen zu können. Der Verein führt das vor allem auf sinkende Preise für Drohnen zurück. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat sich bereits mit dem Thema Wildrettun­g beschäftig­t und dabei ebenfalls eine mit Sensoren ausgestatt­ete Drohne entwickelt.

„Es kann nicht sein, dass Rehkitze hier auf der Strecke bleiben, obwohl es mittlerwei­le so viele technische Möglichkei­ten gibt“, sagt Jäger Hampel. Ziel sei es daher, so viele Jungtiere zu retten, wie es irgendwie möglich ist. „Das ist Antrieb genug, sich jeden Morgen aus dem Bett zu quälen.“

Die Tierschütz­er im Freistaat jedenfalls freut es, dass mithilfe der Drohne derzeit so viele Rehkitze gerettet werden können. „Das ist grundsätzl­ich ein sehr lobenswert­er Ansatz“, heißt es vom Landesbund für Vogelschut­z in Bayern.

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FOTO: DPA Innerhalb von zwei Wochen hat Jäger Rupprecht Walch mit seinem Kollegen 80 Jungtiere gerettet.

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