Heuberger Bote

Euro-Reform in kleinen Schritten

Die EU-Kommission diskutiert über neue Ideen für die Gemeinscha­ftswährung

- Von Daniela Weingärtne­r

- Innerhalb von acht Jahren will die EU-Kommission die Währungsun­ion „vollenden“– so steht es in einem knapp 40-seitigen Diskussion­spapier, das am Mittwoch in Brüssel vorgestell­t wurde. Die Frage, wie der Euro gleichzeit­ig den Wohlstand aller steigern, soziale Gerechtigk­eit fördern, sowie Wachstum und Preisstabi­lität sichern soll, ist sowohl zwischen den Mitgliedss­taaten als auch zwischen einzelnen Kommissare­n hoch umstritten.

Exemplaris­ch steht dafür das Paar, das die Ideen am Mittwoch vorstellte. Während der Lette Valdis Dombrovski­s eher die deutsche Linie vertritt, also Spardiszip­lin und Strukturre­formen von den Euroländer­n fordert, sieht der Franzose Pierre Moscovici im Euro hauptsächl­ich ein Mittel, die Lebensverh­ältnisse der Europäer anzugleich­en. Für wirtschaft­sstarke Länder wie Deutschlan­d würde das bedeuten, dass sie von ihrem Wohlstand mehr abgeben sollen, damit es Griechenla­nd, Italien und Frankreich besser geht.

Moscovici ist von den Reformidee­n des neuen französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron stark beeinfluss­t. Dieser wünscht sich einen Eurofinanz­minister und ein gemeinsame­s Budget für die Eurozone. Der „Mister Euro“solle nach einem Vorschlag in Vollzeit gleichzeit­ig Eurogruppe­nchef und Währungsko­mmissar sein.

Diese Reformkonz­epte vertagte die Kommission jedoch. Dass die Runde der Finanzmini­ster von einem Mitglied der EU-Kommission geführt werden soll, könnte problemati­sch sein. Schließlic­h haben beide Gremien klar voneinande­r abgegrenzt­e Aufgaben – zum Beispiel bei der Überwachun­g der Schuldenqu­ote oder der Haushaltsp­lanung der Euroländer.

Stärkere demokratis­che Kontrolle

„Mehr Konvergenz“ist für Pierre Moscovici das Schlüsselw­ort der Reform. „Europa ist jetzt schon ein Symbol der Einheit und steht für Stabilität. Jetzt brauchen wir ein Instrument, um dem Wohlstand gerecht zu teilen. Nur so können wir den gefährlich­en Populismus stoppen“, erklärte er. Für eine bessere Lasten- und Risikoteil­ung gibt es bereits einige Ideen, wie zum Beispiel eine gemeinsame Einlagensi­cherung für alle Sparer in der EU, eine europäisch­e Arbeitslos­enversiche­rung oder eine Ausweitung des Europäisch­en Rettungsfo­nds.

Die umstritten­en Eurobonds werden zwar ausgeschlo­ssen. Doch wird unter dem Kürzel SBBS (Sovereign bond-backed securities) ein Instrument beschriebe­n, das eben doch auf eine gemeinsame Haftung für Staatsanle­ihen hinausläuf­t.

Die demokratis­che Kontrolle der Eurozone soll durch engere Einbindung des Europaparl­aments und der nationalen Parlamente verbessert werden. Der schon jetzt geübte „regelmäßig­e Dialog“soll durch einen Vertrag zwischen EU-Parlament und Kommission zu einer ständigen Einrichtun­g werden. Mittelfris­tig soll sich auch die Eurogruppe einer solchen parlamenta­rischen Rechenscha­ftspflicht auf europäisch­er Ebene unterwerfe­n, ohne die Rückkop- pelung an die nationalen Parlamente­n aufzugeben. Die EU-Kommission will diese Reformen in einer Phase anstoßen, in der sich nach ihrer Überzeugun­g die europäisch­e Wirtschaft im Aufschwung befindet und auch die Zustimmung­swerte zur EU wieder steigen. „Vor einigen Monaten war Europa noch in der Defensive“, erinnert Moscovici. „Es gab starke antieuropä­ische Strömungen in Österreich, den Niederland­en und Frankreich. Doch der französisc­hdeutsche Vorstoß und die italienisc­hen Überlegung­en zeigen, dass jetzt der Moment ist, ehrgeizige­r für die Reform der Eurozone zu planen“, sagte der Franzose.

Man müsse aus dem Reparaturu­nd Krisenmodu­s herauskomm­en und stattdesse­n für die anstehende­n Herausford­erungen planen, ergänzt Valdis Dombrovski­s. Schließlic­h hätten sich alle Mitgliedss­taaten außer Dänemark mit dem Beitritt verpflicht­et, mittelfris­tig den Euro als Währung zu übernehmen.

Umfragen zeigen allerdings, dass die Euphorie keineswegs so groß ist, wie die Kommissare das wahrzunehm­en scheinen. In Tschechien wünschen sich derzeit nur 21 Prozent der Befragten einen Beitritt zur Eurozone.

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FOTO: AFP Von der Reform könnten auch finanzschw­ache Länder wie Griechenla­nd profitiere­n.

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