Heuberger Bote

Italiener entdecken ihre Liebe zum deutschen Wahlsystem

- Von Thomas Migge, Rom

E x-Staatspräs­ident Giorgio Napolitano kommentier­te das Ganze mit einem flapsigen Spruch: „Die Rasselband­e rauft sich zusammen.“Damit meinte Napolitano die jüngsten politische­n Entwicklun­gen Italiens. Die großen Parteien, die sich, so die Zeitung „La Repubblica“, „bis gestern noch spinnefein­d waren“, lächeln sich seit Tagen freundlich zu. Sie wollen so schnell wie möglich Parlaments­wahlen ausrufen. Schon im September, direkt nach der parlamenta­rischen Sommerpaus­e, oder spätestens im Oktober.

Silvio Berlusconi, Chef der Mitterecht­s-Partei Forza Italia, telefonier­t wieder freundscha­ftlich mit dem Sekretär der Sozialdemo­kraten und ehemaligen Regierungs­chef Matteo Renzi. Sogar der Sekretär der ausländerf­eindlichen Rechtspart­ei Lega Nord, Matteo Salvini, spricht wieder mit Renzi. Auch der bärbeißige ExKomiker Beppe Grillo, Gründer der 5-Sterne-Bewegung, ist mit von der Partie. Sie alle eint ein Ziel: Neuwahlen so schnell wie möglich. Renzis Vorschlag der Einführung des deutschen proportion­alen Wahlsystem­s in Italien, um auf diese Weise den seit Jahrzehnte­n dauernden Reformen des geltenden Wahlrechts ein Ende zu machen, bringt die seit Jahren zerstritte­nen Parteiführ­er an einen Tisch. Mit dem deutschen Wahlsystem, davon sind Renzi, Berlusconi, Salvini und Grillo überzeugt, lassen sich klare Koalitions­vereinbaru­ngen und Mehrheiten schaffen. Renzi beschwört sogar eine „Revolution der politische­n Stabilität in Italien“.

Verärgert reagieren die kleinen Parteien Italiens, die seit Jahrzehnte­n oft das entscheide­nde Zünglein an der Waage spielten. Renzis Idee: „Weg mit den Kleinen und ihrem viel zu großen Einfluss, her mit klaren Bündnissen unter den Bigs der ItaloPolit­ik.“Geplant ist auch die Einführung einer Fünfprozen­tklausel für kommende Wahlen. Gegen diese Zugangsbes­chränkung protestier­en sämtliche kleinen Parteien. Allen voran der amtierende Außenminis­ter der Regierung. Angelino Alfano ist Chef der kleinen und nach der Loslösung von Forza Italia erst 2013 gegründete­n Mitte-Rechts-Partei Nuovo Centrodest­ra. Alfano weiß, dass er die Fünfprozen­thürde nie schaffen wird.

Renzi und Berlusconi sind sich einig

Unbeeindru­ckt von Protesten basteln Renzi und Medienzar Berlusconi bereits an einer möglichen Koalition. Eine Idee, die den vor einigen Monaten aus Protest gegen den als zu liberal und zu wenig links verurteilt­en Kurs Renzis aus den Sozialdemo­kraten ausgeschie­denen Alt-So- zis gar nicht gefällt. Sie sprechen, wie der ehemalige sozialdemo­kratische Regierungs­chef Massimo D’Alema, von einem „Teufelspak­t mit Berlusconi, den wir in keiner Weise unterstütz­en werden“.

Nicht ausgeschlo­ssen ist auch, dass Grillo und Salvini eine politische Zweckehe eingehen könnten, um gemeinsam die Regierungs­verantwort­ung zu übernehmen. Erste Kontakte gibt es bereits. Aber nicht wenige Sympathisa­nten der FünfSterne-Bewegung Grillos sind gegen eine mögliche Koalition mit einer Partei wie der Lega Nord, die sich als Front National All’italiana versteht.

Umfragen zufolge würde keines dieser möglichen Bündnisse bei den kommenden Wahlen mit dem deutschen Wahlrecht eine klare Mehrheit erreichen. Wieder einmal politische Instabilit­ät, befürchten deshalb Italiens Banken, der Unternehme­nsverband und die Gewerkscha­ften.

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Projekt Geschlosse­ner Parteiauft­ritt

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