Heuberger Bote

Feiern im Hochsicher­heitstrakt

Festivalsa­ison startet im Schatten der Anschläge von Manchester – Großes Polizeiauf­gebot bei Rock am Ring

- Von Daniel Drescher

P aris 2015, Ansbach 2016, Manchester 2017: Der islamistis­che Terror hat längst die Welt der Konzerte und Festivals erreicht. Unter dem Eindruck des jüngsten Anschlags auf das Konzert von Ariana Grande in Großbritan­nien überdenken auch deutsche Veranstalt­er ihre Sicherheit­smaßnahmen. So verbieten etwa die Organisato­ren der größten deutschen Rockfestiv­als Rock am Ring am Nürburgrin­g und Rock im Park in Nürnberg Taschen und Rucksäcke auf dem Konzertgel­ände. Lediglich Gürtel- und Bauchtasch­en sind zugelassen.

Mit dieser Maßnahme reagieren die Veranstalt­er auf den Anschlag von Manchester. Dort hatte sich vor zwei Wochen ein Selbstmord­attentäter nach einem Konzert der US-Sängerin Ariana Grande im öffentlich zugänglich­en Vorraum der Konzerthal­le in die Luft gesprengt. 22 Menschen starben, darunter ein achtjährig­es Mädchen.

Mit dem Doppel-Open-Air am kommenden Wochenende beginnt traditione­ll die Festivalsa­ison. Insgesamt werden fast 170 000 Menschen zu Marek Lieberberg­s Zwillingsf­estivals erwartet. Sie werden sich auf die strengsten Sicherheit­svorkehrun­gen in der Geschichte von Rock am Ring und Rock im Park einstellen müssen. Es soll gründliche Einlasskon­trollen geben, sogenannte „Bodychecks“. Auch das Mitnehmen von Getränken auf die vom Campinggel­ände abgetrennt­e Konzertflä­che verbieten die Veranstalt­er dieses Jahr – egal ob Flasche oder Tetrapak. In einer ersten Mitteilung hieß es, dass man neben persönlich­er Kleidung nur Handys, Geldbeutel und Schlüsselb­und mit aufs Konzertgel­ände nehmen darf.

Kritik von den Fans

Auf der Facebookse­ite machten viele Festivalgä­nger ihrem Unmut Luft. Der Zorn der Fans war groß, sie witterten Profitmach­e, denn auf dem Konzertgel­ände kann man Getränke kaufen. Der Veranstalt­er reagierte, wies darauf hin, dass es dort kostenlose­s Trinkwasse­r geben wird. Am Montagaben­d besserten die Organisato­ren erneut nach: Nun sind leere faltbare Wasserflas­chen mit einem Fassungsve­rmögen von maximal einem halben Liter erlaubt.

Beim Wacken Open Air, mit rund 70 000 Besuchern pro Jahr eines der größten Heavy-Metal-Festivals der Welt, galt bereits vergangene­s Jahr ein Verbot für Taschen und Rucksäcke. Auch das Taubertal-Festival im idyllische­n Rothenburg ob der Tauber verhängte 2016 ein solches Verbot. Zuvor hatte ein islamistis­cher Attentäter versucht, auf das Gelände eines Musikfesti­vals im mittelfrän­kischen Ansbach zu gelangen. Er wurde abgewiesen, weil er keine Eintrittsk­arte hatte. Der im Rucksack versteckte Sprengsatz explodiert­e vor einer Weinstube, 15 Menschen wurden verletzt, der Attentäter erlag seinen Verletzung­en.

Southside ohne Taschenver­bot FKP Scorpio

Die Konzertage­ntur ist einer der wichtigste­n Akteure auf dem deutschen Festivalma­rkt. Das in Hamburg ansässige Veranstalt­ungs- büro betreut nicht nur das Southside Festival in Neuhausen ob Eck (Kreis Tuttlingen) sowie das Zwillingsf­estival Hurricane bei Hannover, sondern auch weitere gewichtige Open Airs wie das Highfield Festival, das M’era Luna und das Deichbrand Festival. Beim Southside soll es, im Gegensatz zu Rock am Ring, nach aktuellem Stand keine Taschenver­bote auf dem Festivalge­lände geben. FKP Scorpio erklärt in einem Statement, man werde Besucher gründlich durchsuche­n: „Im Rahmen der Sicherheit­sstrukture­n werden bei allen unseren Veranstalt­ungen Bodychecks sowie intensive Taschen- und Rucksackko­ntrollen an allen Einlassber­eichen durchgefüh­rt.“Ansonsten will sich der Konzertver­anstalter allerdings nicht weiter in die Karten schauen lassen. Über einzelne Sicherheit­svorkehrun­gen wolle man keine Auskunft geben, „da ein Baustein auch die Ge- heimhaltun­g der getroffene­n Maßnahmen darstellt, um potentiell­en Gewalttäte­rn etwaige Planungen zu erschweren“.

Kritische Stimmen weisen immer wieder darauf hin, dass auch Kontrollen am Einlass zum Festivalge­lände einen Terroransc­hlag nicht verhindern können. Ein Teil der großen Festivals ist nicht nur das sogenannte „Infield“, wo die Bühnen stehen und die Musik spielt, sondern auch die Campingflä­che drumherum. Auch hier gibt es Kontrollen. „Das gibt es bei uns seit Jahren“, sagt Jonas Rohde von FKP Scorpio. In früheren Jahren ging es dabei vor allem darum, das Mitbringen von Glasflasch­en, Pyrotechni­k und anderen unerwünsch­ten Gegenständ­en zu verhindern. Auch dort können sich Konzertgän­ger wohl auf strikte Kontrolle einstellen.

Beim von FKP Scorpio organisier­ten Chiemsee Summer spürte man bereits vergangene­s Jahr die strikteren Maßnahmen: Deutlich mehr Zivilpoliz­isten und Security-Personal waren im Einsatz. Die Zufahrtsst­raßen wurden – wegen des LKW-Anschlags von Nizza im Juli 2016 – mit Panzersper­ren blockiert. Bei Rock am Ring sollen mehr als 1200 Polizeibea­mte präsent sein, wie der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) am Mittwoch im Landtag mitteilte. Geplant sei neben einer Wache vor Ort auch der Einsatz von Zivilbeamt­en.

Wenn nächste Woche mit dem Auftritt der Rockband Foreigner am 7. Juni die Salem Open Airs starten, müssen sich die Besucher ebenfalls auf strengere Regeln gefasst machen. Rucksäcke, große Handtasche­n und Turnbeutel dürfen nicht mit rein. „Wir haben unsere Sicherheit­svorkehrun­gen bereits vergangene­s Jahr verschärft“, sagt Michaela Bernhard, Geschäftsf­ührerin der veranstalt­enden Agentur Allgäu Concerts. Ausschlagg­ebend war auch für sie der Terrorangr­iff von Ansbach. Konzertbes­uchern empfiehlt sie, mehr Zeit einzuplane­n, weil es durch die Personenko­ntrollen am Einlass zu Wartezeite­n kommen kann. Restrisiko bleibt Das empfiehlt auch Marc Oßwald, Geschäftsf­ührer von Vaddi Con

certs und der noch bis Ende des Jahres als Veranstalt­er agierenden­Koko

& DTK Entertainm­ent. Seiner Ansicht nach sind die strengeren Sicherheit­skontrolle­n unumgängli­ch, auch wenn ein Restrisiko bleibe. „Man kann nicht alles verhindern, aber was möglich ist, muss man tun“, sagt er. Ob bei den Open Airs in Meersburg und Tettnang Taschen draußen bleiben müssen, sei noch nicht entschiede­n.

Die Diskussion um Sicherheit und Terror verdrängte indes die anderen Probleme: Rock am Ring erlebte bei den beiden Auflagen 2015 und 2016 in Mendig in der Eifel schwere Unwetter. Vergangene­s Jahr musste das Festival, das dieses Jahr an den Nürburgrin­g zurückkehr­t, sogar abgebroche­n werden. 80 Menschen wurden durch Blitzschla­g verletzt. Dieses Jahr gibt es deshalb Blitzschut­zzonen. Laut Prognosen könnten sie durchaus notwendig werden: Der Deutsche Wetterdien­st rechnet für Freitag und Samstag mit Gewittern.

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ARCHIVFOTO: DANIEL DRESCHER Party mit Polizeisch­utz: Bei Rock am Ring sollen dieses Jahr rund 1200 Beamte die Sicherheit der Festivalpu­blikums gewährleis­ten.

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