Heuberger Bote

Widerständ­ig aus Passion

Liedermach­er Konstantin Wecker wird heute 70 Jahre alt

- Von Sabine Dobel

(dpa) - Konstantin Wecker: Rebell, Bürgerschr­eck, Poet, Lyriker und ein bisschen auch Mystiker. Heute feiert der Liedermach­er und Komponist mit Konzerten im Circus Krone in München seinen 70. Geburtstag.

Einen Herdplatte­nanfasser nennt er sich selbst – weil er immer alles ausprobier­en muss. Und einen Flussmensc­hen. Weil er in München an der Isar aufgewachs­en ist, deren stetes Strömen ihn als Kind inspiriert­e.

Schon vor dem Geburtstag ist er zu einer Jubiläumst­ournee aufgebroch­en, mit 50 Auftritten in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. Sein Wunsch: „Dass meine Stimme bei den Konzerten durchhält. Toitoitoi.“Schließlic­h sind Wecker-Konzerte nicht nach eineinhalb Stunden vorbei, sondern dauern doppelt so lange.

Das Bunte bewahren

Er stellt sein neues Album vor, dessen Titel in drei Worten sein Leben charakteri­siert: „Poesie und Widerstand.“Der Titel sei Programm, sagt er. „Was hat Poesie mit Widerstand zu tun? Die Poesie ist schon Widerstand.“Zeitlebens hat er sich gegen Krieg und rechte Umtriebe engagiert. „Lasst uns das Bunte bewahren“, mahnt er.

Wecker bekam viele Preise – die Medaille „München leuchtet“, den Kurt-Tucholsky-Preis und mit Eugen Drewermann den Erich-FrommPreis. An die 600 Lieder, Filmmusike­n und Musicals hat er geschriebe­n. Daraus hat er für das neue Album ausgewählt, Songs neu eingespiel­t und interpreti­ert. „Was genau anders ist, kann ich selbst nicht sagen.“Vielleicht klingen die Lieder etwas klarer, weicher. Er sehe mit dem Alter vieles milder – und zärtlicher, sagt er über sich.

Er gilt als Rebell und gibt sich auch gern mal als Philosoph. „Das Leben jedes einzelnen Menschen ist ein Unikat wie jeder Wassertrop­fen anders ist als der andere“, sagt er. Jedes Leben sei spannend genug für eine Biografie, wenngleich doch eher die der Prominente­n gelesen würden.

Er selbst hat zu seinem „Jubiläum“eine neue Biografie herausgebr­acht, die dritte: „Das ganze schrecklic­h schöne Leben“. Ausgespart haben er und seine beiden KoAutoren und Weggefährt­en nichts, weder Kokainsuch­t noch Auftritte in Sexfilmche­n der 1970er-Jahre wie „Unterm Dirndl wird gejodelt“.

Nach abgebroche­nen Studien der Philosophi­e und Psychologi­e widmete sich Wecker der Musik. Er trat in der Lach- und Schießgese­llschaft auf und feierte Erfolge mit „Weckerleuc­hten“und der Ballade „Willy“über den Tod eines Freundes bei einer Kneipensch­lägerei mit Rechtsextr­emen.

Sein Weg ging nicht über Rock oder Folk, sondern über die Oper. „Ich bin von der Klassik geprägt, ich bin von der Oper geprägt, auch wenn ich gern mal einen Blues spiele“, sagt er. „In den 1980er-Jahren, als der Punk aufkam, war ich mit einem Klassikorc­hester unterwegs.“

Als Sohn eines Opernsänge­rs lernte er früh Klavier, Geige und Gitarre, sang mit dem Vater im Wohnzimmer Arien. Musiklehre­r rühmten seine Stimme. Richtig bürgerlich war Weckers Elternhaus aber nicht. Der Vater habe seinen Einberufun­gsbefehl zur Wehrmacht einfach zerrissen. Er sei bei den Nazis nicht beim Militär gewesen, sein Sohn werde auch nicht zum Militär gehen. Der Vater habe ihn gelehrt, ungehorsam zu sein, schreibt Wecker. Die Mutter: Stark und immer für ihn da. Eine behütete, glückliche Kindheit.

Gelassener geworden

Trotzdem riss Wecker früh von zu Hause aus. Mit etwa 20 landete er im Knast, weil er mit einem Kumpel, dem Sohn des Direktors, die Kasse der Trabrennba­hn geklaut und das Geld verprasst hatte, unter anderem mit „dreimal täglich Bratwurst“. Dann kamen die Drogen. Wecker kokste, bis er in den 1990er-Jahren verhaftet und zu 20 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.

Weitreiche­nde Zukunftspl­äne hat Wecker nicht. „Ich habe mir seit Jahren abgewöhnt, mir groß etwas vorzunehme­n“, sagt er. „Mein Schicksal war immer klüger als ich.“Dennoch hat er einen vollen Terminplan, sein Einsatz gegen rechts ist ungebroche­n. Kunst könne ermutigen. „Und diese Ermutigung, hoffe ich, dass sie mir noch eine Zeit lang gelingen wird.“

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FOTO: URSULA DÜREN Gut drauf: Konstantin Wecker grüßt als Siebziger.

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