Heuberger Bote

Kammergeri­cht gibt Facebook recht

Eltern haben keinen Zugriff auf den Account ihrer verstorben­en Tochter

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(dpa) - Eltern haben keinen Anspruch auf Zugang zum FacebookAc­count ihres verstorben­en Kindes. Das entschied das Berliner Kammergeri­cht am Mittwoch in zweiter Instanz. Dabei lieferte es allerdings keine Antwort auf die grundsätzl­iche Frage, ob ein Facebook-Konto vererbbar sei – sondern verwies nur auf das Fernmeldeg­eheimnis als Grund. Die klagenden Eltern zeigten sich „tief enttäuscht“. Sie können noch vor den Bundesgeri­chtshof nach Karlsruhe ziehen und werden dies ihrem Anwalt zufolge „aller Voraussich­t nach“auch machen.

Geklagt hatte eine Mutter, deren Tochter 2012 an einem Berliner UBahnhof von einem einfahrend­en Zug tödlich verletzt wurde. Die Eltern wollen klären, ob es sich um einen Suizid gehandelt haben könnte und fordern von Facebook Zugang unter anderem zu den Chat-Nachrichte­n. Der US-Konzern verweigert dies und verweist dabei auch auf den Datenschut­z. Von der Offenlegun­g von Nachrichte­n wären demnach auch andere Nutzer betroffen, die mit der damals 15-Jährigen gechattet hätten – in der Annahme, dass die Inhalte privat bleiben.

Über die Frage, ob ein FacebookAc­count vererbbar sei, habe es gar nicht entscheide­n müssen, erklärte das Gericht. „Selbst wenn man davon ausgehe, dass dieser Account in das Erbe falle und die Erbengemei­nschaft Zugang zu den Account-Inhalten erhalten müsse, stehe das Fernmeldeg­eheimnis dem Telekommun­ikationsge­setz entgegen“, hieß es in der Mitteilung zu dem Urteil.

Auch wenn das Fernmeldeg­eheimnis ursprüngli­ch für Telefonan- rufe geschaffen worden sei, könne es hier angewendet werden. Denn es gelte zum Beispiel nach einer Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts auch für E-Mails, die auf den Servern eines Providers gespeicher­t seien. Zudem betonte der Vorsitzend­e Richter Björn Retzlaff, dass es etwa bei Zwei-Personen-Chats auch um den Schutz Dritter gehe. Die vor- gesehenen Ausnahmen vom Fernmeldeg­eheimnis griffen in diesem Fall nicht, erklärte das Gericht. „Das den Eltern noch zufallende Totenfürso­rgerecht könne nicht dazu dienen, einen Anspruch auf Zugang zu dem Social-Media-Account des verstorben­en Kindes herzuleite­n.“

Die Eltern, die bei dem Prozess nicht anwesend waren, erklärten über ihren Anwalt: „Wir sind tief enttäuscht von dem Urteil und müssen uns erst mal sammeln, um die Kraft aufzubring­en, die emotional höchst anstrengen­de Auseinande­rsetzung mit Facebook fortzusetz­en.“Besonders schmerzlic­h sei das damit verbundene lange Warten auf eine endgültige Gewissheit. Es sei „unbegreifl­ich und mehr als bitter“, dass Facebook ausgerechn­et mit diesem ganz besonderen Fall europäisch­e Rechtsgesc­hichte schreiben wolle.

Facebook begrüßte das Urteil. „Gleichzeit­ig fühlen wir mit der Familie und respektier­en ihren Wunsch“, erklärte ein Sprecher des Online-Netzwerks. „Wir bemühen uns darum, eine Lösung zu finden, die der Familie hilft und gleichzeit­ig die Privatsphä­re Dritter, die möglicherw­eise betroffen sind, schützt.“

In erster Instanz hatte das Berliner Landgerich­t 2015 entschiede­n, dass Facebook den Eltern Zugang zum Konto verschaffe­n muss. Die Richter erklärten, dass der Vertrag mit dem Netzwerk Teil des Erbes sei. Sie wollten den digitalen Nachlass nicht anders behandelt sehen als etwa Briefe und Tagebücher.

Der Deutsche Anwaltvere­in sieht nun den Gesetzgebe­r in der Pflicht, mit einer Änderung des Telekomuni­kationsges­etzes für Klarheit zu sorgen. „Das Fernmeldeg­eheimnis darf dem Erbrecht nicht entgegenst­ehen“, betonte Vereinsprä­sident Ulrich Schellenbe­rg. Es müsse zugunsten einer einheitlic­hen Rechtslage hinter dem Erbrecht zurücktret­en. Schließlic­h könne ein Erbe auch ungehinder­t Briefe eines Verstorben­en lesen, wenn er sie in einer Kiste auf dem Dachboden findet.

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FOTO: DPA Dorn im Auge: Eltern üben Kritik an Facebook.

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