Heuberger Bote

USA-Traum endet im Denver-Knast

Tuttlinger­in wird bei der Einreise mit Handschell­en in Zelle gesteckt

- Von Lilia Ben Amor

- Es ist ihr großer Traum: Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung will Julia Schenkel aus Tuttlingen in die USA. Wie viele junge Leute will sie ein paar Wochen reisen und ein paar Wochen zu einer Gastfamili­e. Doch das große Abenteuer endet, bevor es überhaupt angefangen hat.

Als sich die Handschell­en mit einem metallisch­en Klicken um Schenkels Handgelenk­e schließen, laufen ihr die Tränen übers Gesicht. „Sie sagten, ich kann froh sein, dass ich die Hände vorne und nicht hinterm Rücken kreuzen muss“, erinnert sich die 21-Jährige. Neben den Handschell­en muss sie noch eine Kette um den Bauch tragen – so wird die Tuttlinger­in aus dem Denver Flughafen zu einem Gefangenen­transporte­r geführt. Sie kann niemandem Bescheid geben, ihre Wertsachen musste Schenkel schon vor Stunden abgeben.

Monate vorher entschied sich die Tuttlinger­in, ins Ausland zu gehen. Zur Wahl standen die USA oder Südafrika – Glück für sie, dass ihre Freundin bereits eine Familie im USStaat Nebraska kannte. Vier Wochen wollte sie bei der Gastfamili­e leben, für Kost und Logis sollte sie im Haushalt helfen. Anschließe­nd hatte sie noch einen Aufenthalt auf einer Mustang-Ranch, Urlaub mit ihrem Freund und Reisen geplant.

Grenzbeamt­e fragen Passwörter für soziale Medien ab

Weil die Tuttlinger­in in den USA kein Geld verdienen würde, geht sie davon aus, dass sie auch kein Arbeitsvis­um braucht. Das sehen die Grenzbeamt­en in Denver allerdings anders: „Was wollen Sie hier machen? Es ist untypisch, dass junge Mädchen wie Sie an so einen Ort wollen.“Die Beamten bei der Passkontro­lle verhören sie regelrecht, sagt Schenkel.

Bei der Einreise wird sie nicht nur ausgefragt, die Tuttlinger­in muss Passwörter für soziale Medien und elektronis­che Geräte preisgeben, damit die Beamten ihre Nachrichte­n lesen können. All ihre Notizbüche­r werden durchsucht und gelesen. „Da dachte ich aber noch, das renkt sich schon alles wieder ein.“

Rund zwei Stunden wird die 21Jährige ausgefragt, dann verweigern die Grenzbeamt­en ihr offiziell die Einreise und geben ihr ein Rückflugti­cket nach Reykjavík. Sie darf noch telefonier­en, aber dass sie die Nacht in einer Zelle verbringen muss, weiß sie da noch nicht. „Sie sagten, sie würden mich und eine Britin in meinem Alter, der das gleiche passiert ist, in eine Unterkunft bringen“, erinnert sich die Tuttlinger­in. Doch das sei keine Unterkunft gewesen: „Ich wurde in Handschell­en in Abschiebeh­aft gebracht.“

Schenkel war froh, dass sie die folgende Prozedur nicht allein durchstehe­n musste: In einer Zelle mit Toilette im Raum und zwei Betonprits­chen warten die beiden Leidensgen­ossinnen. Mittlerwei­le ist es mitten in der Nacht, da wird sie aus der Zelle geholt und muss sich komplett ausziehen.

Eine schwarze Jogginghos­e, Pullover, Unterhose – die 21-Jährige muss Zellenklei­dung tragen. Anschließe­nd geht es zur ärztlichen Untersuchu­ng. „Später in der Zelle hat man alle halbe Stunde nach uns geschaut – wie bei Schwerverb­rechern“, erzählt Schenkel. Im Gegensatz zu ihrer Zellengeno­ssin macht die Tuttlinger­in kein Auge zu, bis Beamte sie am nächsten Tag wieder in Handschell­en aus der Zelle führen. „Ich hatte so Angst, dass ich noch länger da bleiben muss.“Am Flughafen begleiten sie Polizisten bis zum Gate. „Die Leute haben geschaut, als würden sie denken: Mit der muss ich jetzt in ein Flugzeug steigen?“, erinnert sich Schenkel.

Ab da ging alles glatt. Schenkel fliegt zurück nach Reykjavík und von dort aus weiter nach Frankfurt. Den Flug hat ihr Freund ihr gebucht. „Es war gar nicht so schlimm, dass ich nicht ins Land durfte, aber wie man mich behandelt hat.“Auf Hochstimmu­ng und Vorfreude auf das Abenteuer in den USA folgte das qualvolle Auspacken der Koffer zurück in Deutschlan­d. „Alle haben mir geschriebe­n, wie es mir in den USA gefällt und ich musste sagen, dass ich es gar nicht erst hingeschaf­ft habe.“

Hals über Kopf hat sich Schenkel in das nächste Projekt gestürzt. Am heutigen Mittwoch landet die Tuttlinger­in in Südafrika. Das Abenteuer Ausland will sie jetzt dort erleben. „Mich hat vor allem auch das Geld genervt. 1000 Euro sind jetzt futsch für den Hinflug und den ungeplante­n Rückflug“, sagt sie.

Geschenke für ihre Gastfamili­e in Nebraska hatte die 21-Jährige auch schon gekauft, die will sie jetzt aber per Post verschicke­n.

„Sie sagten, ich kann froh sein, dass ich die Hände vorne und nicht hinterm Rücken kreuzen muss“sagt Julia Schenkel aus Tuttlingen.

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FOTO: LIA Heute kann Julia Schenkel über den Vorfall lachen: Ihr Gefängnis- Armband aus Denver hat sie behalten.

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