Ein Club schafft sich ab
1860 München droht Absturz ins Amateurlager – Es hängt alles an Investor Ismaik
- Und dann auch noch die Christl! Am Vormittag dieses selbst für den TSV 1860 beispiellosen Total-Absturzes kündigte auch noch Christl Estermann, seit 23 Jahren Wirtin des Löwenstüberls am Vereinsgelände und gute Seele des Clubs ihren Rückzug an. „Ich hab’ gekündigt“, sagte sie lapidar. Zwar schon vor den Relegationsspielen gegen Jahn Regensburg, die den Löwen den Abstieg brachten und nicht nur wegen des mit Sitzschalen und Fahnenstangen werfenden Mobs auf den Tribünen auch das letzte Stück Sympathie raubten. Aber trotzdem.
Geschäftsführer Ian Ayre, erst im April als Heilsbringer vom FC Liverpool gekommen, war da schon seit einem Tag zurückgetreten. Das letzte Zweitligaspiel des TSV 1860 hatte er sich gar nicht mehr angesehen. Präsident Peter Cassalette, auf dessen Namen sich, wie er sich seit jeher von Kritikern anhören muss, Marionette reimt , hatte es auch nur bis zur 75. Minute im Stadion ausgehalten. Dann schrieb er der armen Pressesprecherin eine SMS, dass von ihm keine Stellungnahme zu erwarten sei, und fuhr nach Hause. Trainer Vitor Pereira, der den Fans im Dezember noch bei seiner Vorstellung „we go to the top“zugerufen hatte, erschien immerhin zur Pressekonferenz. Doch nur, um festzustellen, dass das „Projekt gescheitert“sei und er keine Fragen beantworten wolle. To the flop. Seitdem ward er nicht mehr gesehen. Kai Bülow, 2015 noch der Relagtionsheld der Löwen und am Dienstag Kapitän, gab am Mittwoch seinen Wechsel zum KSC bekannt. Von einem Absteiger zum anderen. Doch im Vergleich zu den Löwen wirken die Karlsruher ja wirklich wie ein hochstabiles Gebilde. Und nicht wie ein Club, der sich gerade selbst abschafft.
Sportlich ist der TSV 1860 am Dienstag in die dritte Liga abgestiegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Löwen dort spielen werden, ist aber etwa so hoch wie die, dass Investor Hasan Ismaik wirklich immer weiß, was er tut. „Die Lizenz ist nicht zu erlangen, ohne dass es zu weiteren Zahlungen von Herrn Ismaik kommt“, sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch am Mittwoch zu Sky. Bis Freitag braucht 1860 den Nachweis von mindestens zehn Millionen Euro. Zahlen muss, mangels Alternativen, Ismaik. Und wenn nicht? Koch, gleichzeitig Präsident des Bayerischen Fußballverbands, stellte einen Startplatz in der Regionalliga in Aussicht. Möglicherweise müsste der Club aber auch in Liga fünf wieder anfangen.
Unerfüllbare Forderungen
Hätte 1860 die Relegation überstanden, hätte der Jordanier sogar bis gestern 23,1 Millionen Euro überweisen müssen, um die Lizenz für die zweite Liga zu erhalten. Ismaik, der bewiesen hat, dass Geld allein eben keine Tore schießt, wollte nächste Saison richtig investieren. Doch zu welchen Bedingungen? Die „Süddeutsche Zeitung“zitiert aus einem wenige Tage alten Briefwechsel zwischen Ismaiks Anwalt und der Vereinsführung. Als Bedingung für die Zahlung der 23,1 Millionen stellte der Jordanier demnach sechs Forderungen auf, die der Verein binnen acht Tagen erfüllen müsse. Darunter die Überrschreibung des gesamten Jugendbereichs oder die Abschaffung des Weisungsrechts der Vereinsseite an den Geschäftsführer – was die DFL explizit verbietet. Ismaik musste also wissen, dass seine Forderungen unerfüllbar waren.
Ismaik selbst reagierte auf den Abstieg seiner teuren Mannschaft – 1860 hatte den drittgrößten Etat der zweiten Liga – wie immer: Mit irrationalen Schuldzuweisungen. „Das hat nichts mit meiner Person zu tun, sondern dieser Verein ist momentan geprägt von skrupellosen Machtkämpfen und internen Querelen, die es nun zu beseitigen gilt. Nur dann hat der TSV 1860 wieder eine Zukunft“, schrieb er am Mittwoch auf Facebook.