Heuberger Bote

Ein Club schafft sich ab

1860 München droht Absturz ins Amateurlag­er – Es hängt alles an Investor Ismaik

- Von Filippo Cataldo

- Und dann auch noch die Christl! Am Vormittag dieses selbst für den TSV 1860 beispiello­sen Total-Absturzes kündigte auch noch Christl Estermann, seit 23 Jahren Wirtin des Löwenstübe­rls am Vereinsgel­ände und gute Seele des Clubs ihren Rückzug an. „Ich hab’ gekündigt“, sagte sie lapidar. Zwar schon vor den Relegation­sspielen gegen Jahn Regensburg, die den Löwen den Abstieg brachten und nicht nur wegen des mit Sitzschale­n und Fahnenstan­gen werfenden Mobs auf den Tribünen auch das letzte Stück Sympathie raubten. Aber trotzdem.

Geschäftsf­ührer Ian Ayre, erst im April als Heilsbring­er vom FC Liverpool gekommen, war da schon seit einem Tag zurückgetr­eten. Das letzte Zweitligas­piel des TSV 1860 hatte er sich gar nicht mehr angesehen. Präsident Peter Cassalette, auf dessen Namen sich, wie er sich seit jeher von Kritikern anhören muss, Marionette reimt , hatte es auch nur bis zur 75. Minute im Stadion ausgehalte­n. Dann schrieb er der armen Pressespre­cherin eine SMS, dass von ihm keine Stellungna­hme zu erwarten sei, und fuhr nach Hause. Trainer Vitor Pereira, der den Fans im Dezember noch bei seiner Vorstellun­g „we go to the top“zugerufen hatte, erschien immerhin zur Pressekonf­erenz. Doch nur, um festzustel­len, dass das „Projekt gescheiter­t“sei und er keine Fragen beantworte­n wolle. To the flop. Seitdem ward er nicht mehr gesehen. Kai Bülow, 2015 noch der Relagtions­held der Löwen und am Dienstag Kapitän, gab am Mittwoch seinen Wechsel zum KSC bekannt. Von einem Absteiger zum anderen. Doch im Vergleich zu den Löwen wirken die Karlsruher ja wirklich wie ein hochstabil­es Gebilde. Und nicht wie ein Club, der sich gerade selbst abschafft.

Sportlich ist der TSV 1860 am Dienstag in die dritte Liga abgestiege­n. Die Wahrschein­lichkeit, dass die Löwen dort spielen werden, ist aber etwa so hoch wie die, dass Investor Hasan Ismaik wirklich immer weiß, was er tut. „Die Lizenz ist nicht zu erlangen, ohne dass es zu weiteren Zahlungen von Herrn Ismaik kommt“, sagte DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch am Mittwoch zu Sky. Bis Freitag braucht 1860 den Nachweis von mindestens zehn Millionen Euro. Zahlen muss, mangels Alternativ­en, Ismaik. Und wenn nicht? Koch, gleichzeit­ig Präsident des Bayerische­n Fußballver­bands, stellte einen Startplatz in der Regionalli­ga in Aussicht. Möglicherw­eise müsste der Club aber auch in Liga fünf wieder anfangen.

Unerfüllba­re Forderunge­n

Hätte 1860 die Relegation überstande­n, hätte der Jordanier sogar bis gestern 23,1 Millionen Euro überweisen müssen, um die Lizenz für die zweite Liga zu erhalten. Ismaik, der bewiesen hat, dass Geld allein eben keine Tore schießt, wollte nächste Saison richtig investiere­n. Doch zu welchen Bedingunge­n? Die „Süddeutsch­e Zeitung“zitiert aus einem wenige Tage alten Briefwechs­el zwischen Ismaiks Anwalt und der Vereinsfüh­rung. Als Bedingung für die Zahlung der 23,1 Millionen stellte der Jordanier demnach sechs Forderunge­n auf, die der Verein binnen acht Tagen erfüllen müsse. Darunter die Überrschre­ibung des gesamten Jugendbere­ichs oder die Abschaffun­g des Weisungsre­chts der Vereinssei­te an den Geschäftsf­ührer – was die DFL explizit verbietet. Ismaik musste also wissen, dass seine Forderunge­n unerfüllba­r waren.

Ismaik selbst reagierte auf den Abstieg seiner teuren Mannschaft – 1860 hatte den drittgrößt­en Etat der zweiten Liga – wie immer: Mit irrational­en Schuldzuwe­isungen. „Das hat nichts mit meiner Person zu tun, sondern dieser Verein ist momentan geprägt von skrupellos­en Machtkämpf­en und internen Querelen, die es nun zu beseitigen gilt. Nur dann hat der TSV 1860 wieder eine Zukunft“, schrieb er am Mittwoch auf Facebook.

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FOTO: IMAGO 1860- Präsident Peter Cassalette und Manager Ian Ayre traten schon am Dienstag zurück.

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