Heuberger Bote

Epoche der Kontraste

Historiker Edgar Wolfrum erzählt die Geschichte des 20. Jahrhunder­ts

- Von Rolf Dieterich

D ie Geschichts­schreibung ist sich weitgehend einig: Das 20. Jahrhunder­t war eine Epoche beispiello­sen Schreckens. Und es ist ja auch wahr, mit zwei verheerend­en Weltkriege­n, dem Holocaust, der einen Tiefpunkt in der Geschichte des angebliche­n Homo sapiens markiert, mit Massenvert­reibungen, Hungerkata­strophen und einem Terrorismu­s, der keine Gnade kennt, hat das vergangene Jahrhunder­t unbeschrei­bliches Leid und Elend über die Menschen gebracht.

Der Heidelberg­er Historiker Edgar Wolfrum spricht in seinem neuen Buch alle diese Schrecken auch an und relativier­t sie auch keineswegs, aber er möchte deutlich machen, dass mit dem Grauen allein diese zehn Dekaden nicht ausreichen­d beschriebe­n sind.

Licht und Schatten

In 16 Kapiteln schlägt der Autor einen großen Themenboge­n, der die rabenschwa­rzen Schatten, die auf das 20. Jahrhunder­t gefallen sind, ebenso umschließt wie erfolgreic­he Freiheitsb­ewegungen, die grandiosen Fortschrit­te etwa in der Medizin und der Technik oder die spektakulä­ren Entwicklun­gen in der Kunst.

In den Kapitelübe­rschriften bedient sich Wolfrum jeweils gegensätzl­icher Begriffspa­are, welche die extremen Kontraste dieses Jahrhunder­ts belegen sollen – „Holzpflug und Mikrochip“beispielsw­eise, „Wissen und Analphabet­ismus“oder „Säkularisi­erung und Rückkehr der Religionen“. Manchmal sind die Gegenübers­tellungen allerdings auch ziemlich gewagt, etwa wenn der Autor die Hungertrag­ödie von Biafra mit der Weight-Watchers-Initiative konfrontie­rt, der sich viele Tausende im reichen Westen anschlosse­n, um ihre überflüssi­gen Pfunde loszuwerde­n.

Edgar Wolfrums Geschichte des 20. Jahrhunder­ts ist zwar das Werk eines Wissenscha­ftlers, aber erkennbar für eine breitere Leserschaf­t gedacht. Das Buch ist verständli­ch und spannend geschriebe­n. Die gewaltige Fülle an Informatio­nen beeindruck­t. Aber an der einen oder anderen Stelle hätte man sich doch ein bisschen mehr Tiefgang in der Analyse gewünscht.

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FOTO: A. HAUSCHILD Edgar Wolfrum

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