„Besorgniserregender Flächenverbrauch“
Leserbrief zu den Plänen der Stadtverwaltung, neue Gebiete für die Gewerbeansiedlung zu kaufen, Bericht vom 24. Mai: „Rat beschließt Umlegungsverfahren.“Der besorgniserregende Flächenverbrauch der Flatbau-Gewerbeansiedlung bringt nicht nur die direkt betroffenen Landwirte gegen neue Baupläne auf. Auch Umweltschutzverbände beklagen die opportunistisch gehandhabten Erweiterungsvorhaben, die sich rücksichtslos in bisher geschonte Landschaften hineinfressen. Sogar Regierungspräsidien und Landesregierung mahnen inzwischen konstant zur Mäßigung und zur Abwägung, wobei die Interessen der Bürger und Betroffenen mitentscheidend sein sollen.
Dabei ist der behördliche Versuch, die Enteignung der Landwirte nicht als eine solche zuzugeben, eine lapidare Augenwischerei. Denn der Art. 14 Abs. a GG macht zwischen den Entschädigungsformen der Enteignung keinen Unterschied. Dass das Bundesverfassungsgericht hierzu einen begrifflichen Eiertanz fabrizierte, stellt lediglich die themenspezifische Neutralität und Glaubwürdigkeit des höchsten nationalen Gerichts infrage, wobei lediglich drei Prozent der eigentlich den Bürgern zustehenden Beschwerden überhaupt zur Bearbeitung kommen.
Wegen den neuen ökologischen Planzielen der EU dürfen sich die Landwirte inzwischen mehr Hoffnung machen, dass es nicht mehr so einfach sein dürfte, sich sich Land anzueignen. Besonders wenn statt allgemeiner Interessen (also öffentlicher Interessen, zum Beispiel Schulen, Kläranlagen) eigentlich private, nämlich industriell-wirtschaftliche Interessen in Form von Gewerbeansiedlung im Vordergrund stehen und von der „Enteignung“profitieren.
Nicht nur die Landwirte, sondern auch die Bürger haben sodann die Möglichkeit, ihren Unmut über die sublime Entrechtung (von Teilen) der Bevölkerung auf dem Wahlzettel zu äußern und können eine Partei oder Wählervereinigung bevorzugen, die der Zersiedelung und Verbetonierung unserer Heimat zumindest kritisch gegenübersteht, zumal Gewerberuinen im Stadtgebiet unbenutzt sind.
Im Gegensatz zu den Etablierten dürften sie erfasst haben, dass der gefährliche Mix aus Straßenbau, Wohnungsbau und Industrieansiedlung seine Grenzen finden muss und nicht endlos fortgesetzt werden kann, sondern programmatischer, flächenverbrauchsschonender Alternativen bedarf.
Torsten Kelpin, Spaichingen