Ein streitbarer Bürger ist verstummt
Hans-Joachim Fischer ist im Alter von 81 Jahren gestorben – Engagiert, freiheitsliebend und bestens informiert
- Er war ein streitbarer Bürger, der in Leserbriefen oder bei Nachfragen im Gemeinderat mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt. Hans-Joachim Fischers engagierter Einsatz für Freiheit und kritische Selbstverantwortung hat sicher auch mit seiner Jugend in der DDR zu tun. Nun ist der gebürtige Leipziger und Wahl-’Trossinger im Alter von 81 Jahren gestorben.
„Politik geht uns alle etwas an“, hat Hans-Joachim Fischer in einem seiner zahlreichen Leserbriefe einmal formuliert. Schon als Kind bewies er selbstbewusste Unabhängigkeit. Die Mutter ließ ihn nicht in die Hitler-Jugend, und im Treppenhaus grüßte der kleine Hans-Joachim mit „Guten Tag“, auch wenn die Erwachsenen ihn anherrschten: „Weißt Du nicht, wie man grüßt? Das heißt Heil Hitler.“
Auch während der sowjetischen Besatzung und in der sozialistischen DDR eckte der freiheitsliebende Kaufmannssohn an. Nach dem UngarnAufstand war ihm klar, dass wohl bald die Grenze dicht sein wird, und er verließ im November 1956 Leipzig offiziell mit Papieren für eine Arbeitsstelle im Westen. „Alles, was ich dabei hatte, waren ein Koffer, ein Mantel und eine Aktentasche“, hat er einmal im Interview mit der Trossinger Zeitung erzählt. Drei Jahre später gelang auch Fischers Eltern die Flucht in den Westen.
„Die Familie ging ihm über alles“, erinnert sich Tochter Kerstin Fischer. Sie und ihre beiden Geschwister Frauke Fischer-Lohrer und Olaf Fischer haben ihn als liebe- und verständnisvollen Vater erlebt, der Wert auf Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und den Freiheitsgedanken gelegt hat. Seine früh verstorbene Frau war ihm eine in Familie und Beruf absolut gleichwertige Partnerin. Direktheit war ihm wichtig: „Man sagt nichts hintenherum.“
Solange es seine Gesundheit zuließ, hat Fischer praktisch jede Trossinger Gemeinderatssitzung besucht und Bürgermeister und Rat oft mit kritischen Nachfragen auf den Zahn gefühlt. „Er war mit Sicherheit einer der am besten informierten Trossinger Bürger, die man sich nur vorstellen kann“, sagt Ex-Gemeinderat Heinz Messner, langjähriger Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, für die Fischer sich als Pressereferent engagiert hat. Als es dann zu Meinungsverschiedenheiten kam, hat er das Amt konsequent niedergelegt. Auch als Leserbriefschreiber und Mitglied im Leserbeirat der „Trossinger Zeitung“hat er seine Meinung stets deutlich, manchmal scharf, aber immer sachlich fundiert vertreten. Als Süßwaren-Vertreter war er mit seinem BMW viel unterwegs. Verkehrsthemen waren Fischer daher immer wichtig. Er war Pressesprecher für die Deutsche Verkehrswacht Tuttlingen und Kassenprüfer im „Freundeskreis der Trossinger Eisenbahn“. Noch mit 60 Jahren hat Hans-Joachim Fischer neben seinem Bus- und Motorrad-Führerschein auch einen Dampflok-Führerschein gemacht.
„Wir sind dankbar, dass er bis zuletzt selbstbestimmt im eigenen Haus leben konnte“, sagt Frauke Fischer-Lohrer; körperlich eingeschränkt, aber geistig voll auf der Höhe, bis ihn ein Herzinfarkt aus dem Leben riss.