Heuberger Bote

Ein Video wird zum Politikum

Winfried Kretschman­n wettert gegen die Grünen und wird dabei ohne sein Wissen gefilmt

- Von Katja Korf

- Selten hat der Ausdruck vom gefundenen Fressen so gut gepasst wie in diesem Fall: Der grüne Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n, ohnehin nicht als geschmeidi­ger Parteigäng­er bekannt, lässt seinem Unmut über den Kurs der eigenen Grünen-Führung freien Lauf. Dabei wird er gefilmt, was ihm offensicht­lich nicht bewusst ist. Das Video wandert ins Netz. Politische Gegner arbeiten sich daran ab. Einige Monate vor der Bundestags­wahl dient der Ausbruch nun als Beleg für eine Spaltung der Partei in alte Lager.

So lässt sich zusammenfa­ssen, was seit Tagen in der politische­n Landschaft geschieht. Kretschman­n hatte in dem Film vor allem über die Haltung seiner Partei zum Verbrennun­gsmotor geschimpft. Diese fordert, ab 2030 keine Fahrzeuge mit dem Antrieb zuzulassen.

„Schwachsin­ns-Termine“

Dazu sagt Kretschman­n in dem Video, das auf dem Berliner Bundespart­eitag der Grünen am vergangene­n Wochenende gedreht wurde: „Ihr habt keine Ahnung. Aber die Leute sagen, ab 2030 kann man das alles machen. Das sind doch Schwachsin­nstermine.“So kämen die Grünen bei den Wahlen eben auf sechs oder acht Prozent. Sie könnten ihren Wahlkampf ohne ihn machen.

Inhaltlich überrascht das wenig. Kretschman­n hatte seine Meinung zu diesem Thema immer wieder kundgetan. Als Beleg für eine Spaltung in Realos und Fundis dient es ebenso wenig. In der Partei ist die Forderung nach dem Aus für Verbrenner Mehrheitsm­einung. Ohne Kretschman­ns Drängen in den Spitzengre­mien wäre die Forderung wohl schon vor dem Parteitag ins Wahlprogra­mm gelangt.

Doch die Vehemenz, mit der Kretschman­n auf den Nürtinger Bundestags­abgeordnet­en Matthias Gastel einredet, ist durchaus eindrückli­ch. Auch das überrascht jene wenig, die schon einmal den Ministerpr­äsidenten bei einem seiner Lieblingst­hemen erlebt haben. So kann er ganze Pressekonf­erenzen mit Ärger darüber bestreiten, dass Artenschut­z und Insektenst­erben aus seiner Sicht zu wenig öffentlich­e Beachtung finden.

Kretschman­ns Ausbruch sei ohne dessen Einverstän­dnis gefilmt worden, sagte ein Sprecher. Daran entzündete sich Kritik. So ließ BadenWürtt­embergs Vize-Regierungs­chef Thomas Strobl (CDU) seinen Sprecher ausrichten, es gehe nicht, dass man offensicht­lich private Gespräche auf einem Parteitag heimlich filme und die Aufnahmen veröffentl­iche.

Hinzu kommt, dass der Urheber Christian Jung für rechtspopu­listische Medien schreibt, unter anderem für den umstritten­en Rottweiler Kopp-Verlag. „Ich stand mit meiner Kamera auf Stativ keine zwei Meter von Herrn Kretschman­n und Herrn Gastel entfernt. Die Aufnahmesi­tuation war eindeutig und klar erkennbar“, wird Jung in der rechtskons­ervativen Wochenzeit­ung „Junge Freiheit“zitiert.

Problemati­sche Entstehung

Damit profitiert von der öffentlich­en Aufmerksam­keit ein Autor, der etwa über die vom Verfassung­sschutz beobachtet­e rechtsextr­eme „Identitäre Bewegung“schreibt: „Aufgehalte­n durch ein sklerotisc­hes Parteiensy­stem zeigen junge Patrioten der Identitäre­n Bewegung den Widerstand ...“

Andreas Stoch, Chef der SPD im Landtag, hält das Video ebenfalls für problemati­sch. Anderersei­ts verwies er am Freitag darauf, dass derjenige, der die Kamera halte, für Kretschman­n sichtbar gewesen sei. „Herr Kretschman­n war da wohl ein wenig unvorsicht­ig.“FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke sagte: „Die Wählerinne­n und Wähler sehen: Die Grünen sind eine tief zerstritte­ne Partei.“Es sei verwunderl­ich, dass Kretschman­n einerseits erkläre, er sei mit den Ergebnisse­n des Parteitags zufrieden und anderersei­ts gegen die grünen Beschlüsse wettere.

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FOTO: DPA Kritische Worte: Winfried Kretschman­n beim Bundespart­eitag in Berlin.

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