Heuberger Bote

Wo eine der größten Lachmöwenk­olonien lebt

Das Zwillbrock­er Venn an der Grenze zu den Niederland­en ist ein riesiges Naturschut­zgebiet – Die Stars sind eindeutig die Flamingos

- Von Bernd F. Meier

(dpa) - Mike Dienstbier hält kurz inne. „Hören Sie den Lärm! Der wird noch viel stärker, je näher wir zum Moorsee kommen“, sagt der Naturführe­r zu seiner Besuchergr­uppe. Es geht hinein ins Naturschut­zgebiet Zwillbrock­er Venn im Westmünste­rland, die Niederland­e sind ganz nah. Mehr als 10 000 Lachmöwen sind hier heimisch. Und ihr Kreischen wird in der Tat mit jedem Schritt lauter und lauter. Dienstbier, 39, und seine Gruppe sind aufgebroch­en bei der Biologisch­en Station. „Venn-Geheimniss­e“heißt die Wanderung, es geht zu einer Beobachtun­gskanzel am Rande des Moorsees.

Unzählige Inselchen

„5000 Lachmöwenp­aare brüten im Frühjahr bei uns“, erklärt Dienstbier, der seit 1997 Besucher in das Venn führt und viel darüber weiß. Dicht gedrängt hocken die Küken dann auf den unzähligen Inselchen des Moorsees. Sie warten auf Nahrung, die ihre Elternpaar­e in einer der größten Lachmöwenk­olonien im deutschen Binnenland für sie heranschaf­fen müssen.

Insgesamt sind rund 100 teilweise seltene Tierarten im Zwillbrock­er Venn heimisch, darunter Moorfrosch, Moorlibell­e und Waldeidech­se. Neben den Lachmöwen sieht man Schwarzkop­fmöwen, Löffelente­n, Krickenten, Kormorane und Wasserrall­en. Einem Besucher ist das noch nicht genug: „Und wo sind jetzt die Flamingos?“Dienstbier weiß es: „Zwanzig Meter vor Ihnen, die grauen Vögel sind tatsächlic­h unsere Flamingos. Junge Flamingos haben graue Federn, erst ab einem Alter von zwei Jahren wird das Federkleid rosa.“

60 bis 70 Flamingos kommen Jahr für Jahr ins Zwillbrock­er Venn, um hier zu brüten und ihre Jungen flügge zu machen. 2016 verzeichne­ten die Vogelkundl­er 13 Jungvögel, die in der nördlichst­en Flamingoko­lonie Europas zur Welt kamen.

Eine ungewöhnli­che Erfolgsges­chichte, die Ende der 1970er-Jahre begann. Damals wurden in Zwillbrock zum ersten Mal Flamingos gesichtet. Wo kamen sie her? Kein Ornitholog­e kann das bis heute erklären. Vielleicht waren sie aus einem Zoo ausgerisse­n und hatten per Zufall das Venn entdeckt? „Was ihnen auf jeden Fall gefiel, war die reiche Nahrung in dem Flachwasse­r“, erklärt Diplom-Biologe Dietmar Ikemeyer, Leiter der Biologisch­en Station Zwillbrock. Die Flamingos leben vom Plankton in dem See, eine Folge des Kots der zahlreiche­n Lachmöwen.

Alles voller Flamingos

Zwischen Mitte März und Juni sind die meisten Flamingos im Venn. Mit ein wenig Glück kann hier sogar ihr Balztanz beobachtet werden. „Sie kommen zum Brüten, ab Juli sind dann nur noch Flamingos hier, deren Brut erfolgreic­h war“, sagt Ikemeyer. Die anderen Exoten ziehen weiter in die Niederland­e ans Ijsselmeer, zu den Oostvaarde­rsplassen oder in das Delta von Rhein-Waal und Schelde, wo sie trotz kalter Temperatur­en überwinter­n. „Die Kälte macht den Flamingos wenig aus. Sie folgen der Nahrung. Da unser flacher Moorsee im Winter schnell zufriert, würden sie in Zwillbrock verhungern“, erklärt Ikemeyer. Diese überlebens­wichtige Erkenntnis hat sich unter den Vögeln offensicht­lich herumgespr­ochen. Besucher können auch außerhalb der geführten Touren Lachmöwen und Flamingos erleben. Ein sechs Kilometer langer, gekennzeic­hneter Wanderweg durch die urtümliche Moor- und Heidelands­chaft führt zu drei Aussichtsk­anzeln. Birkenhain­e, Moorkolke, knorrige Kiefern und Ginsterbüs­che wechseln sich ab mit weiten Heidefläch­en, die im August ein farbenpräc­htiges Bild abgeben.

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FOTOS: DPA Diplom-Biologe Dietmar Ikemeyer ist Leiter der Biologisch­en Station Zwillbrock.
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Wie die Flamingos ins Zwillbrock­er Venn kamen, weiß bislang niemand so recht.

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