Die Karriere, aber nicht Laufschuhe an Nagel hängen
Die Fridinger Spitzenläuferin Jessica Steidle (28) legt den Fokus künftig auf ihren Beruf als Ärztin
- Als Jessica Steidle ans Handy geht, hat sie gerade Feierabend gemacht und das Schwarzwald-Baar-Klinikum in VillingenSchwenningen verlassen, in dem sie mittlerweile als Ärztin tätig ist. „Ich muss noch einkaufen gehen. Und danach will ich noch laufen“, sagt die Fridinger Spitzenläuferin, um die es nach 2013 still geworden war. 2014 gewann sie bei den Damen den ZehnKilometer-Lauf bei run & fun in Tuttlingen, aber danach war die 28-Jährige sportlich von der Bildfläche und der großen Bühne verschwunden.
Die schnellste Frau im Landkreis Tuttlingen über 800, 1500, 5000 und 10 000 Meter war als Medizinstudentin seit 2013 beruflich eingespannt gewesen, wie sie selbst sagt. „Seit 2013 ist eine Menge passiert“, sagt Steidle. Und meint vor allem ihren beruflichen Weg als Ärztin. Das Medizinstudium in Regensburg schloss sie ab und stürzte sich ins praktische Jahr als angehende Ärztin in Kliniken in Albstadt und Schaffhausen. „Da musste ich richtig mitarbeiten und bin nicht mehr so zum Laufen gekommen, wie ich das wollte. Ich hatte einfach wenig Zeit dafür“, sagt sie. 2015 beginnt sie mit ihrer Doktorarbeit an den Unikliniken Tübingen. „Ich wollte die Doktorarbeit innerhalb eines Jahres schaffen“, erzählt Jessica Steidle und der alte sportliche Ehrgeiz blitzt immer noch auf. Im Spätsommer 2015 wechselte Steidle in die Kardiologie der Universitätsklinik Ulm, „aber das war nicht meins“, sagt sie. Seit Juni 2016 arbeitet die 28-Jährige nun im Schwarzwald-Baar-Klinikum in Villingen-Schwenningen und wohnt in Hüfingen. Dort möchte Dr. med. Jessica Steidle nun ihren Facharzt-Titel für Kardiologie erwerben.
„Sehe Lauferei jetzt lockerer“
„Ich habe schon die ganze Zeit über trainiert, fünfmal die Woche, aber eher zum Fithalten. Ich war eben viel im Labor“, sagt die Fridingerin. In Tübingen trainierte sie mit einer Freundin, mit der sie auch bei den deutschen Leichtathletikmeisterschaften war, im Stadion. „Aber Wettkämpfe habe ich seit 2013 keine mehr bestritten“, gesteht sie. Bis auf run & fun in Tuttlingen 2014. In Villingen-Schwenningen habe sie aber jetzt wieder mehr Kontakt zu Trainer Franz Saile, der ihr Trainingsprogramme erstelle. „Momentan trainiere ich sechsmal pro Woche, aber ich sehe die Lauferei lockerer als früher. Das Training und das Laufen ist für mich mental wichtig, als Ausgleich zum Beruf.“
Im Mai war sie den Schluchseelauf gelaufen, fern der Region, wo man sie kennt. Wettkämpfe hat sie bislang vor allem auch in ihrer Heimatregion gemieden. „Für jemanden, der einmal auf so einem hohen Niveau gelaufen ist, ist das mental schwer, nicht mehr dabei zu sein. Die Leute haben eine Erwartungshaltung an mich. Und bevor ich eine Niederlage kassiere, trete ich lieber nicht an“, sagt Steidle. 2013 hatte sie sich für den 800-Meter-Lauf bei den Deutschen Meisterschaften qualifiziert, schaffte zwar den Sprung nicht bis ins Finale, war danach aber angriffslustig, was ihre sportliche Ambitionen für die Zukunft anging. „Ich will die 10 000 Meter unter 36 Minuten laufen“, sagte Jessica Steidle 2013 selbstbewusst. Und den Kreisrekord über 3000 Meter wollte sie sich auch holen.
Beruf steht jetzt im Vordergrund
Vier Jahre später hat sich Steidles Fokus verschoben. Ihr Beruf als Ärztin steht für sie klar im Vordergrund. Der fordert sie immens. „Das mit dem Sport geht nicht mehr so wie früher“, sagt sie. Und bei Wettbewerben zuschauen, die sie gewinnen könnte, das könne sie nicht ertragen. „Aber ich habe gelernt, den Sport anders zu sehen. Ich habe einen neuen Blick auf das Laufen bekommen. Und ich habe mich klar für den Beruf als Ärztin entschieden“, sagt die Fridingerin. Damit macht sie ihren Fans wenig Hoffnung auf ein sportliches Comeback. „Die Karriere an den Nagel gehängt klingt schon hart, aber ein bisschen ist es so.“Nur die Laufschuhe, die hängt Jessica Steidle nicht an den Nagel. Mittlerweile läuft auch ihr Partner und dreht mit ihr ein paar Runden. Nur nicht mehr auf Zeit, nach Bestzeiten jagend, verbissen, so wie Jessica Steidle als Rekordhalterin war. Aus der ehrgeizigen Läuferin ist die ehrgeizige Ärztin geworden.