Jetzt geht es rund
Rhönrad-Turnen bei der TG Seitingen-Oberflacht im Selbstversuch – Es kommt auf die Körperspannung an
- Es erfordert Kraft, Gefühl und vor allem Körperspannung: Was für die RhönradWettkampfgruppe der TG SeitingenOberflacht längst Alltag ist, hat Redakteurin Alexandra Schneid im Selbstversuch ausprobiert.
Aufrecht und mit bis in die Zehenspitzen gestreckten Beinen sitzt Viola Distel hoch oben auf einem Rhönrad in der Ostbaarhalle in SeitingenOberflacht. Ein paar Sekunden hält sie die Position, dann lässt sich die Turnerin mit dem Rad ein Stück weiter in die Mitte der Halle rollen und turnt die nächste Figur. Lisa Ilg stützt sich mit den Händen auf der obersten Sprosse ab, hält die Position und rollt mit dem Rhönrad weiter. Was so grazil und leicht aussieht, ist das Ergebnis von etwa zehn Jahren regelmäßigen Trainings.
Seit 1964 bietet die Turngemeinschaft Seitingen-Oberflacht das Turnen am Rhönrad an. Kurz zuvor hatten die Schwenninger Rhönradturner mit ihrem Auftritt anlässlich der 75-Jahr-Feier der TG SeitingenOberflacht die Sportler begeistert. Der Verein beschloss daraufhin, auch Rhönräder anzuschaffen. Das Turngerät besteht aus zwei Reifen, die durch sechs Sprossen miteinander verbunden sind. An zweien sind Griffe befestigt, zwei haben keine Zusätze, an zweien ist jeweils eine Holzplatte mit Ledergurt angebracht. In dieser Bindung finden die Turner mit ihren Füßen bei manchen Figuren Halt – oder ich bei meinen ersten Versuchen am Rhönrad.
Übungsleiterin Conny Grenz sucht für mich ein passendes Turngerät aus. Denn die Größe des Rads hänge von der Körpergröße ab, erklärt sie. Das müsse der Turner selbst testen. Es gibt Rhönräder mit einem Durchmesser zwischen 1,40 Metern und 2,20 Metern. Ich bekomme eines mit zwei Metern Durchmesser zugewiesen. „Was sehr wichtig ist, ist die Körperspannung“, sagt Grenz, bevor ich mich an das Gerät wage. Außerdem seien beim Turnen am Rhönrad Gleichgewicht, Ausdauer und Kraft gefordert.
Grenz befestigt meine Füße in der Bindung des Rhönrads, ich halte mich derweil an den Griffen links und rechts über meinem Kopf fest. „Und die Füße ganz fest nach unten drücken“, weist mich die Übungsleiterin an. Langsam dreht sie das Rad, in dessen Mitte ich stehe. Es folgt eine weitere Drehung und noch eine und das Ganze wieder rückwärts. Um ein Gefühl für das 30 bis 40 Kilogramm schwere Rhönrad zu bekommen, schreite ich innerhalb des Turngeräts langsam von Sprosse zu Sprosse.
Diese Übungen für Anfänger haben die jungen Turnerinnen, die neben mir üben, schon längst hinter sich. Seit gut zehn Jahren trainieren sie bereits am Rhönrad. Teilweise haben ihre Mütter schon den Sport ausgeübt und offensichtlich auch ihre Töchter dafür begeistern können. „Rhönrad ist eine etwas andere Sportart, die nicht jeder kennt“, erklärt Alina Keller, die mit der Wettkampfgruppe zweimal wöchentlich eineinhalb Stunden trainiert. Es sei ein schönes Gefühl, hoch oben auf dem Rad zu sitzen. Das darf ich auch einmal ausprobieren. Ich setzte mich auf eine Sprosse des Rhönrads, Conny Grenz rollt es langsam Stück für Stück Richtung Hallenmitte. Und mit jedem rollenden Zentimeter komme ich dem höchsten Punkt ein Stückchen näher. Ganz oben, auf gut zwei Metern Höhe, hält die Übungsleiterin kurz an, dann geht es wieder Richtung Boden.
Der Wettkampf ist nicht immer das Ziel
Zehn Trainerinnen, Übungsleiterinnen und Helferinnen trainieren zwischen 30 und 35 Rhönrad-Turner der TG Seitingen-Oberflacht. Die Wettkampf-Gruppe, bestehend aus zwölf Jugendlichen zwischen 15 und 21 Jahren, nimmt nicht nur an Turnieren teil, sondern tritt auch bei Turnschauen oder Firmenveranstaltungen auf. Bei letzterem würden der Aufbau der Kür, die Schwierigkeit sowie die Ausführung benotet, erklärt Grenz. „Der Wettkampf ist aber nicht immer das Ziel“, fügt sie hinzu.
Freitags trainieren etwa 20 Nachwuchsturner im Grundschulalter, darunter zwei Buben. „Es gibt Kinder, die vom Turnen kommen. Das ist eine gute Vorbildung“, sagt sie. Die Übungsleiterin schätzt, dass es gut zwei Jahre daure, bis man an einem Wettkampf teilnehmen könne.