Gegen den Trend: Bedarf an Telefonzellen besteht
Öffentliche Telefone verschwinden zunehmend aus Stadtbild – In Tuttlingen ist die Grundversorgung noch gut
- Ein intimes Gespräch, das nicht belauscht werden sollte? Oder der Streich beim Nachbarn? Mit der Telefonzelle verbinden viele Menschen unterschiedliche Erinnerungen. Der Siegeszug des Handys lässt öffentliche Telefone heute wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten erscheinen. Die Telefonzellen drohen, aus dem Stadtbild zu verschwinden.
„Statistisch gesehen hat jeder Deutsche mindestens einen Hausanschluss und ein Handy. Die Bedeutung und Notwendigkeit der öffentlichen Telefonzellen hat dementsprechend abgenommen“, sagt Hubertus Kischkewitz, Pressesprecher der Deutschen Telekom.
Im gesamten Bundesgebiet gibt es momentan noch 23 000 öffentliche Telefone, die von der Telekom und anderen Firmen betrieben werden. Vor 20 Jahren waren es noch 165 000 „Fernsprech- oder Telefonhäuschen“, wie das öffentliche Telefon hinter schallisolierenden Scheiben richtig heißt.
Bedeutung öffentlicher Telefone sinkt: Jeder hat ein Handy
„Es ist nicht mehr so wie früher, als die Menschen keinen eigenen Festnetzanschluss hatten und mit 20 Pfennig ums Haus gegangen sind, um bei der Verwandtschaft anzurufen“, sagt Arno Specht. Der Sprecher der Stadt Tuttlingen hat Verständnis dafür, dass es weniger öffentliche Telefone gibt. Vor allem in Wohngebieten sei die Entscheidung, den Apparat abzubauen, nachvollziehbar.
„Der Kunde ist der Architekt des Telefonzellen-Netzes“, sagt Kischkewitz und stellt klar, dass der Umsatz am Fernsprecher über das Wohl und Wehe des Standortes entscheidet.
Um wegen des Unterhalts der Telefonzelle – für Strom, Miete, Wartung und Reinigung – keinen Verlust zu machen, gibt es zwischen der Telekom und der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände eine Vereinbarung: Sinkt der Umsatz unter 50 Euro im Monat, darf die Telekom die Kommunen wegen des Abbaus des unwirtschaftlichen öffentlichen Telefons ansprechen.
„Der Umsatz ist ein klares Indiz dafür, dass der Wunsch nach einer Grundversorgung durch die Bevölkerung an dieser Stelle offensichtlich nicht mehr besteht“, sagt Kischkewitz. Um Kosten zu sparen, hat die Telekom die Häuschen oft auch in einfache Telefonsäulen umgerüstet.
Zwischen der Telekom und der Stadt Tuttlingen hat es in den vergangenen zwei bis drei Jahren keine Gespräche gegeben, sagt Specht. „Bei uns gibt es auch noch relativ viele. Die Stadt Tuttlingen ist gut versorgt.“
Teilt man die Anzahl der öffentlichen Telefone in Deutschland durch die Zahl der Städte und Gemeinden – laut Statistischem Bundesamt sind das 13 152 – müssten nicht einmal zwei Fernsprecher in jeder Kommunen aufgestellt sein.
Die Anfrage, wie viele Telefone es im Tuttlinger Stadtgebiet noch gibt, beantwortet die Telekom nicht. Diese Daten würden nicht vorgehalten. Zudem sei es schwierig, die Zahl zu ermitteln, da die Vorwahl- und Anschlussbereiche nicht immer mit den Stadtgrenzen übereinstimmen würden, teilt das Unternehmen mit.
Dass die Versorgung mit öffentlichen Telefonen gut ist, davon kann man sich selbst bei einem Spaziergang durch Tuttlingen überzeugen. Zwischen Busbahnhof und Stadtgarten sind gleich sieben Fernsprecher zu finden. „Die Grundversorgung ist vorhanden“, sagt Specht.
Ausgediente Telefonzellen werden verkauft
Sollte sich die Telekom bei der Stadt melden, um ein unwirtschaftliches Telefon abzubauen, würde sich die Kommune nicht „querlegen. Wird das Telefon weniger genutzt, dann kann es auch abgebaut werden. Wir halten es aber für wichtig, dass stark frequentierte Orte wie der Bahnhof über ein öffentliches Telefon verfügen“, sagte Specht.
„Gelbe Telefonhäuschen sind aber ausverkauft“
Wer sich aus sentimentalen Gründen eine ausgediente Telefonzelle sichern möchte, kann sich bei der Telekom unter info@telekom.de erkundigen.
Je nach Typ und Zustand müssen aber mindestens 600 Euro dafür bezahlt werden. Die Kosten für den Transport sind darin noch nicht enthalten. „Gelbe Telefonhäuschen sind aber ausverkauft“, sagt Kischkewitz.