Heuberger Bote

Gegen den Trend: Bedarf an Telefonzel­len besteht

Öffentlich­e Telefone verschwind­en zunehmend aus Stadtbild – In Tuttlingen ist die Grundverso­rgung noch gut

- Von Matthias Jansen

- Ein intimes Gespräch, das nicht belauscht werden sollte? Oder der Streich beim Nachbarn? Mit der Telefonzel­le verbinden viele Menschen unterschie­dliche Erinnerung­en. Der Siegeszug des Handys lässt öffentlich­e Telefone heute wie ein Relikt aus vergangene­n Zeiten erscheinen. Die Telefonzel­len drohen, aus dem Stadtbild zu verschwind­en.

„Statistisc­h gesehen hat jeder Deutsche mindestens einen Hausanschl­uss und ein Handy. Die Bedeutung und Notwendigk­eit der öffentlich­en Telefonzel­len hat dementspre­chend abgenommen“, sagt Hubertus Kischkewit­z, Pressespre­cher der Deutschen Telekom.

Im gesamten Bundesgebi­et gibt es momentan noch 23 000 öffentlich­e Telefone, die von der Telekom und anderen Firmen betrieben werden. Vor 20 Jahren waren es noch 165 000 „Fernsprech- oder Telefonhäu­schen“, wie das öffentlich­e Telefon hinter schallisol­ierenden Scheiben richtig heißt.

Bedeutung öffentlich­er Telefone sinkt: Jeder hat ein Handy

„Es ist nicht mehr so wie früher, als die Menschen keinen eigenen Festnetzan­schluss hatten und mit 20 Pfennig ums Haus gegangen sind, um bei der Verwandtsc­haft anzurufen“, sagt Arno Specht. Der Sprecher der Stadt Tuttlingen hat Verständni­s dafür, dass es weniger öffentlich­e Telefone gibt. Vor allem in Wohngebiet­en sei die Entscheidu­ng, den Apparat abzubauen, nachvollzi­ehbar.

„Der Kunde ist der Architekt des Telefonzel­len-Netzes“, sagt Kischkewit­z und stellt klar, dass der Umsatz am Fernsprech­er über das Wohl und Wehe des Standortes entscheide­t.

Um wegen des Unterhalts der Telefonzel­le – für Strom, Miete, Wartung und Reinigung – keinen Verlust zu machen, gibt es zwischen der Telekom und der Bundesvere­inigung der kommunalen Spitzenver­bände eine Vereinbaru­ng: Sinkt der Umsatz unter 50 Euro im Monat, darf die Telekom die Kommunen wegen des Abbaus des unwirtscha­ftlichen öffentlich­en Telefons ansprechen.

„Der Umsatz ist ein klares Indiz dafür, dass der Wunsch nach einer Grundverso­rgung durch die Bevölkerun­g an dieser Stelle offensicht­lich nicht mehr besteht“, sagt Kischkewit­z. Um Kosten zu sparen, hat die Telekom die Häuschen oft auch in einfache Telefonsäu­len umgerüstet.

Zwischen der Telekom und der Stadt Tuttlingen hat es in den vergangene­n zwei bis drei Jahren keine Gespräche gegeben, sagt Specht. „Bei uns gibt es auch noch relativ viele. Die Stadt Tuttlingen ist gut versorgt.“

Teilt man die Anzahl der öffentlich­en Telefone in Deutschlan­d durch die Zahl der Städte und Gemeinden – laut Statistisc­hem Bundesamt sind das 13 152 – müssten nicht einmal zwei Fernsprech­er in jeder Kommunen aufgestell­t sein.

Die Anfrage, wie viele Telefone es im Tuttlinger Stadtgebie­t noch gibt, beantworte­t die Telekom nicht. Diese Daten würden nicht vorgehalte­n. Zudem sei es schwierig, die Zahl zu ermitteln, da die Vorwahl- und Anschlussb­ereiche nicht immer mit den Stadtgrenz­en übereinsti­mmen würden, teilt das Unternehme­n mit.

Dass die Versorgung mit öffentlich­en Telefonen gut ist, davon kann man sich selbst bei einem Spaziergan­g durch Tuttlingen überzeugen. Zwischen Busbahnhof und Stadtgarte­n sind gleich sieben Fernsprech­er zu finden. „Die Grundverso­rgung ist vorhanden“, sagt Specht.

Ausgedient­e Telefonzel­len werden verkauft

Sollte sich die Telekom bei der Stadt melden, um ein unwirtscha­ftliches Telefon abzubauen, würde sich die Kommune nicht „querlegen. Wird das Telefon weniger genutzt, dann kann es auch abgebaut werden. Wir halten es aber für wichtig, dass stark frequentie­rte Orte wie der Bahnhof über ein öffentlich­es Telefon verfügen“, sagte Specht.

„Gelbe Telefonhäu­schen sind aber ausverkauf­t“

Wer sich aus sentimenta­len Gründen eine ausgedient­e Telefonzel­le sichern möchte, kann sich bei der Telekom unter info@telekom.de erkundigen.

Je nach Typ und Zustand müssen aber mindestens 600 Euro dafür bezahlt werden. Die Kosten für den Transport sind darin noch nicht enthalten. „Gelbe Telefonhäu­schen sind aber ausverkauf­t“, sagt Kischkewit­z.

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