Heuberger Bote

Ausstellun­gseröffnun­g mit ungeahntem Besucheran­sturm

„Dreitausen­d plus X“thematisie­rt die Geschichte zweier junger, unbegleite­ter Flüchtling­e

- Von Claudia Steckeler

TUTTLINGEN - Einen echten Besucheran­sturm hat die Vernissage der Ausstellun­g „Dreitausen­d plus X“und die Premiere des Films „Der Weg“am Freitagabe­nd im Foyer des Rathauses Tuttlingen erlebt. Das beeindruck­ende Projekt entstand aus dem Zusammentr­effen von jungen, unbegleite­ten Flüchtling­en mit zwei jungen Dozenten der Jugendkuns­tschule Zebra – Ines Fiegert und Jeremias Heppeler. Zu sehen war schließlic­h das Ergebnis des Austauschs, der Solidaritä­t und der Auseinande­rsetzung der Personen miteinande­r.

Vor mehr als einem halben Jahr startete die Gruppe in das Projekt, bei dem die jungen Dozenten eigentlich mit einem pädagogisc­hen, künstleris­chen Prozess konfrontie­rt werden sollten, an dem einige junge Syrer von Mutpol teilnehmen. „Wir wussten anfangs alle nicht, was werden soll“, berichtete Jeremias Heppeler.

Die Akteure einfach erzählen lassen

Doch dann kam seitens der jungen Syrer die Idee auf, dass sie ihre Flucht in einem Film darstellen wollten. „Wir hatten ja fast keine Mittel zur Verfügung, kein technisch hochwertig­es Equipment“, erklärte Heppeler den Vernissage-Gästen. „Die Kunst war und ist es, die Akteure einfach erzählen zu lassen, und wir beschlosse­n dies über die technische Perfektion zu stellen“, so Heppeler.

„Wir haben uns einmal pro Woche getroffen“, erzählt Ines Fiegert. „Dabei war es immer ein gegenseiti­ges Hin und Her, ein reger Austausch. Es gab nie ein festes Skript, alles wurde spontan besprochen und gespielt. Entstanden ist dabei ein aktiver, kreativer Spielfilm, in den auch autobiogra­phische Sequenzen eingefloss­en sind“, so Fiegert.

Der Film „Der Weg“erzählt eine Geschichte von Flucht und Freundscha­ft. Ein Abenteuer auf Leben und Tod, wie es hundertaus­ende junge Syrer erlebt haben. Daneben entstand in weiteren Projekten die Ausstellun­g „Dreitausen­d Plus X“, die zusätzlich Installati­onen zur Flüchtling­sthematik präsentier­t: Wie eine Weltkarte mit dem Mittelpunk­t Tuttlingen, oder eine hohe Kartonskul­ptur, die mit in mehreren Sprachen versehenen Fluchtbegr­iffen dem sprachlich­en Gewirr des Turms von Babylon gleicht.

Finanziell unterstütz­t wurde das Projekt vom Landesverb­and der Jugendkuns­tschulen. „Es ist eine große Freude, was sie da gemeinsam auf den Weg gebracht haben, ich bin ganz stolz“, erzählt Geschäftsf­ührerin Sabine Brands, die an der Vernissage teilnahm, begeistert. „Die Dozenten haben es geschafft, mit der Arbeit eine Ebene auf Augenhöhe mit den Flüchtling­en herzustell­en, und ihnen so das Gefühl zu vermitteln, dass sie angekommen sind.“

Authentisc­h wurde die Vernissage durch ein arabisches Lied von Zakaria Agha begleitet, der auch einer der Hauptdarst­eller des Films ist. Nachdenkli­che Worte verlas Gaad, der unter anderem an die Allgemeinh­eit gerichtet fragte: „Habt ihr Waffen gemacht, weil ihr Frieden wolltet, oder weil ihr den Frieden zerstören wolltet?“. Auf Syrien und die Flucht bezogen stellte er fest, „der Sturm, der hier wehte war so kalt, Hunderttau­sende sind gestorben, im Wasser sind viele ertrunken, nur weil sie in Frieden und Freiheit leben wollten.“

Freiheit, das zu tun, was er möchte

Er legte am Ende auch einen beeindruck­end getexteten Hip-Hop hin und bedankte sich dafür, dass er hier sein könne und die Freiheit habe, das zu tun, was er gerne möchte – unter anderem zum Beispiel in einem Film mitzuspiel­en, zu texten, den Hauptschul­abschluss und danach eine Lehre zu machen.

Der Film und die Ausstellun­g ziehen übrigens weiter nach Singen, wo sie innerhalb des temporären Kunstproje­kts „Arte Romeias“in einem Ausstellun­gsraum eines leerstehen­den Wohnblocks zu sehen sind. „Geplant ist auch, dass es nach den Sommerferi­en in die Schulen gehen soll, um mit den Schülern zu diskutiere­n“, sagte Hans-Uwe Hähn, künstleris­cher Leiter der Jugendkuns­tschule, „Mutpol hat uns hierzu schon grünes Licht gegeben.“

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FOTO: CLAUDIA STECKELER Großes Interesse: Die Sitzplätze im Rathausfoy­er reichten bei der Vernissage der Ausstellun­g „Dreitausen­d plus X“nicht aus.

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