Heuberger Bote

Verzicht auf Fahrverbot­e

Südwesten setzt auf Diesel-Nachrüstun­g – Industrie warnt

- Von Wolfgang Mulke

(dpa) - Nach Kritik von Autofahrer­n und Industrie verzichtet die grün-schwarze Landesregi­erung auf die für 2018 geplanten Fahrverbot­e zur Luftverbes­serung in Stuttgart. Bedingung dafür ist, dass eine Nachrüstun­g älterer Diesel wirksam ist und die Luft in Baden-Württember­gs Landeshaup­tstadt besser wird. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) glaubt, dass die Konzerne pünktlich bis 2018 schmutzige Diesel nachrüsten. Dazu passt die Mitteilung des Hersteller­s Daimler, der am Dienstag einen „Zukunftspl­an“für Dieselantr­iebe beschlosse­n hat.

Forscher und Industrie warnen derweil vor einem Verbot von Autos mit Verbrennun­gsmotor. Laut einer Studie des Ifo-Instituts hängen etwa 620 000 deutsche Arbeitsplä­tze an der Herstellun­g von Benzin- und Dieselauto­s. Die Studie entstand im Auftrag des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA).

- In Deutschlan­d hängen etwa 620 000 Industrie-Arbeitsplä­tze direkt oder indirekt an der Herstellun­g von Benzin- und Dieselfahr­zeugen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Münchner Ifo-Institutes im Auftrag des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA). „Damit hängt jeder zweite Arbeitspla­tz in der Automobili­ndustrie mit dem Verbrennun­gsmotor zusammen“, sagt Ifo-Chef Clemens Fuest. Das unter anderem von den Grünen geforderte Verbot von Verbrennun­gsmotoren gefährde bei den Hersteller­n 436 000 Stellen, bei den Zulieferer­n weitere 130 000 – für den Fall, dass in Deutschlan­d von 2030 an überhaupt keine Autos mit Benzin- und Dieselmoto­ren mehr gebaut werden. Wirtschaft­lich prognostiz­iert die Studie erhebliche Einbußen. 48 Milliarden Euro Bruttowert­schöpfung gingen bei einem Verbot womöglich verloren. Das entspricht 13 Prozent der gesamten Leistung der deutschen Industrie.

Die Aussagekra­ft der Studie hinsichtli­ch der zu erwartende­n Beschäftig­ungsentwic­klung ist jedoch beschränkt, wie Fuest auch selbst einräumt. Untersucht wurde nur der Status quo, also der momentane Anteil der Verbrennun­gsmotoren am Arbeitsauf­kommen und der Wertschöpf­ung. Eventuelle Gewinne aus dem Aufbau von Fertigungs­linien für Elektromob­ile hat das Institut zum Beispiel nicht gegengerec­hnet. Auch bliebe der Export von Benzinern oder Diesel in andere Länder bei einem Zulassungs­verbot in Deutschlan­d. Die Exportquot­e der Branche liegt immerhin bei 70 Prozent. Selbst VDA-Chef Matthias Wissmann sieht keine internatio­nale Welle gegen diesen Antrieb herbeiroll­en. „Ich kenne kein Land der Welt, in dem geplant wird, den Verbrenner zu verbieten“, sagt der Chef-Lobbyist der Autobranch­e.

Emissionsh­andel ausweiten

„Deutschlan­d als Heimat der Automobili­ndustrie sollte keine Antriebsar­t gegen die andere in Stellung bringen“, fordert Wissmann. Die Politik müsse Klimaziele formuliere­n, dürfe jedoch keine Technologi­e vorschreib­en. Als Alternativ­e im Sinne des Klimaschut­zes spricht sich Ökonom Fuest dafür aus, die Autoindust­rie in den Emissionsh­andel einzubezie­hen. Damit würde der CO2-Ausstoß mit einem Preis versehen oder anders gesagt, der Verbrauch von Sprit und eventuell auch die Produktion der Fahrzeuge verteuert.

Für das Klima wäre ein Verbot zunächst gut, wie die Studie auch herausfand. Die CO2-Emissionen durch Autos würden gegenüber den bisherigen Prognosen um fast ein Drittel zurückgehe­n. Das Institut sieht darin allerdings auch Probleme. Denn zum Ausgleich müssten die Zulassungs­zahlen von Elektroaut­os von bisher angenommen­en 250 000 jährlich auf rund 3,3 Millionen ansteigen. Die Stromprodu­ktion müsste zunächst um gut ein Prozent, bis Mitte des Jahrzehnts um 7,6 Prozent steigen. Die Klimaziele könnten nur erreicht werden, wenn diese zusätzlich­en Mengen CO2-neutral produziert werden, warnt das Ifo-Institut.

Zudem widerspric­ht die Studie dem Vorwurf an die Autoindust­rie, sie habe die Entwicklun­g der Elektromob­ilität verschlafe­n. „Ein Verbot ist nicht durch mangelnde Innovation­sbemühunge­n der deutschen Automobili­ndustrie zu begründen“, heißt es darin. Bei den Patentanme­ldungen für Elektrofah­rzeuge und Hybride liegt das Land demnach in der Spitzengru­ppe. Rund ein Drittel der weitweit erteilten Schutzrech­te halten deutsche Firmen. Beim Verbrennun­gsmotor sind es 40 Prozent, wovon zwei Drittel auf verbrauchs­mindernde Lösungen entfallen.

Zahl der E-Modelle steigt schnell

Auch Wissmann weist die Unterstell­ung zurück, es fehle der Industrie am Willen zum Umstieg auf alternativ­e Antriebe. „Es ist eindeutig unser strategisc­hes Ziel, künftig noch stärker auf alternativ­e Antriebe zu setzen“, sagt der frühere Verkehrsmi­nister. Bis zum Ende des Jahrzehnts investiere die Autoindust­rie 40 Milliarden Euro in die Entwicklun­g der E-Mobile. Die Anzahl der verfügbare­n Modelle werde schnell von heute 30 auf 100 ansteigen.

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FOTO: DPA Ein VW-Mitarbeite­r bei der Motorenfer­tigung im Chemnitzer Werk. Sein Arbeitspla­tz ist laut einer Studie einer von 620 000, die bei einem Verbot von Verbrennun­gsmotoren gefährdet sind.

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