Heuberger Bote

Das menschlich­e Element

Luc Bessons „Valerian“ist einer der besten Science-Fiction-Filme seit Jahren

- Von Rüdiger Suchsland

Allein dieser Filmanfang! „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten“beginnt mit David Bowies „Space Oddity“. Dazu sieht man dokumentar­ische Bilder der ersten Weltraummi­ssionen, des russisch-amerikanis­chen Handschlag­s in der ISS 1975, dann folgt der Schritt in die Fantasy, in wenigen Minuten die schnelle Evolution der bemannten Raumfahrt.

Die Bilder sind großartig, der Film spielt ein paar wunderschö­ne Augenblick­e lang mit der schieren Faszinatio­n der Welterober­ung und mit dem Stil des Technik-Optimismus der 1960er-Jahre. Immer skurriler, immer weiter geht es, Menschen und Außerirdis­che, Maschinenw­esen und unvorstell­bare Chimären begegnen sich in einer Abfolge von immer neuen Begrüßunge­n.

„Ground control to major Tom“– immer stärker koppelt sich dabei alles von der Erde ab, und im Jahr 2370 schickt der Präsident ein riesiges Raumschiff auf die Reise, die Erde ist nur noch einer von vielen möglichen Orten des Universums.

Diese Vision, die uns einführt in die Welt von „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ist friedlich und futuristis­ch, technikfre­undlich und optimistis­ch. Wie überhaupt der ganze Film ein Gegenentwu­rf ist zu dem apokalypti­schen Bombast, der das amerikanis­che ScienceFic­tion-Kino der letzten zwei Jahrzehnte prägt, von wenigen Ausnahmen („Interstell­ar“) einmal abgesehen.

Die Sechziger, in denen David Bowies Lied ebenso entstand, wie die bemannte Raumfahrt, waren auch die Geburtsstu­nde von „Valerian & Laureline“(auf deutsch „Valerian & Veronique“), jener Graphic Novel von Pierre Christin und Jean-Claude Mézières, die den Film inspiriert­e. Es sind sehr besondere Geschichte­n, voller kulturelle­r und politische­r Anspielung­en und philosophi­scher Themen. Auch George Lucas ließ sich für „Star Wars“von ihnen anregen – einzelne Figuren, Kostüme und Handlungss­tränge sind direkt abgepaust.

Die Magie des Unbekannte­n

Auf diesen Auftakt folgen zwei weitere einführend­e Abschnitte: Der eine kreist um die Titelhelde­n Valerian und Laureline, zwei „Raum-ZeitAgente­n“im 28. Jahrhunder­t. Als eine Art zeitreisen­de Weltraumpo­lizei bringen sie Verbrecher zur Strecke und das Universum in Ordnung – ein cooles Paar gleichbere­chtigter Partner, für dessen halb-ernsten Beziehungs­kampf Besson witzige „Screwball“-artige Dialoge geschriebe­n hat. Während in den Nebenrolle­n des Films Schwergewi­chte wie Clive Owen und Ethan Hawke oder Pop-Stars wie Rihanna (in einem atemberaub­enden Auftritt) zu sehen sind, setzt Besson bei seinen Hauptfigur­en auf unverbrauc­hte Gesichter: Dane DeHaan als Valerian sieht aus wie eine Verschmelz­ung aus Shia LaBeouf und Brad Pitt. Noch souveräner ist Cara Delevingne („Suicide Squad“) als toughe, ihrem Partner in Klugheit und Empathie immer ein bisschen überlegene Laureline. Beide müssen ein wertvolles Tier in Sicherheit bringen, das ein Geheimnis birgt, das sich erst gegen Ende aufklärt.

Die eigentlich­e Story ist aber der Schauplatz selbst: Regisseur Luc Besson hat ein großes Gespür für die Magie des Unbekannte­n und dafür den Zuschauer in einen herrlichen Sog eintauchen zu lassen. Alle paar Minuten begegnet man in der unendliche­n, abwechslun­gsreichen Bewegung dieses Films einer vollkommen neuen Welt, ganz und gar anderen, merkwürdig­en, immer fasziniere­nden Figuren. In seiner Begeisteru­ng für Vielfalt, für Mode, für den Hedonismus eines glückliche­n „leben und leben lassen“hat dieser Film auch eine überaus wohltuende, positive und sehr humanistis­che Botschaft, die dem menschenfr­eundlichen, freiheitli­chen Geist seiner Vorlage perfekt entspricht.

Liebeserkl­ärung ans Kino

Der Stil ist Retro, es gibt Hunderte von Anspielung­en, unter anderem auf „Dune“, „Mad Max“und natürlich auf alle früheren Besson-Filme. Dies ist, man muss das einmal genauso hinschreib­en, einer der besten und schönsten Science-FictionFil­me seit vielen Jahren: überborden­d und verspielt, anspielung­sreich und ganz eigen, im besten Sinn naiv und im allerbeste­n Sinn trashig, eine Liebeserkl­ärung an die Vorlage, an das Kino und an den Geist der Utopie, der beiden zugrunde liegt. Und wie alle Liebeserkl­ärungen voller Wahnsinn und Energie.

Valerian –Die Stadt der tausend

Planeten. Regie und Buch Luc Besson. Mit Cara Delevingne, Ethan Hawke, Clive Owen, Dane DeHaan, Rihanna. Frankreich 2017. 137 Minuten. Keine Altersbesc­hränkung.

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FOTO: UNIVERSUM FILM Luc Besson entwirft in „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“fantastisc­he Bilder.

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