Heuberger Bote

Das Handball-Idol wird weiterlebe­n

Bernhard Kempa stirbt mit 96 Jahren, sein Trick und seine Liebe zum Sport aber bleiben

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(dpa/SID/sz) - In einem Alter, in dem andere eher gemütlich werden, startete Bernhard Kempa nochmal richtig durch. Mit 47 Jahren fing er quasi von vorn an: „Monsieur Handball“verschrieb sich dem Tennis – und war damit so erfolgreic­h wie in seiner ersten Laufbahn. Mehr als ein Dutzend Jahre nach seinen zwei Weltmeiste­rtiteln im Feldhandba­ll wurde er mit dem Filzball dreimal Champion bei den Senioren und krönte sich zum Zwei-Sportarten-Weltmeiste­r. Weltberühm­t aber ist der Göppinger allein durch den Handball geworden – als Erfinder des nach ihm benannten Kempa-Tricks und durch sein Können.

Am Freitag bestätigte sein Heimatclub Frisch Auf Göppingen den Tod der Handball-Legende, bereits am Donnerstag war Kempa in Bad Boll gestorben. „Wir trauern um einen der größten Sportler, die Deutschlan­d hervorgebr­acht hat. Was der deutsche Handball dem Spieler und Trainer Bernhard Kempa verdankt, ist kaum in Worte zu fassen“, sagte der Präsident des Deutschen Handballbu­ndes, Andreas Michelmann. „Bernhard Kempa hat Handballge­schichte geschriebe­n und bleibt mit seinem KempaTrick Teil der DNA unseres Sports.“

2015 hatte Kempa nach einem neunwöchig­en Krankenhau­saufenthal­t seinen 95. Geburtstag mit seiner Frau Marianne, mit der er ein Jahr zuvor Diamanten-Hochzeit (60 Ehejahre) gefeiert hatte, im engsten Familien- und Freundeskr­eis in seinem Haus in Bad Boll gefeiert. Schon damals stand es nicht zum Besten um die Gesundheit, wenngleich sein Sohn Bernhard Michael von fortschrei­tender Genesung berichtete. Zuletzt hatte sich sein Gesundheit­szustand aber wieder verschlech­tert, Kempa musste sich einer Dialyse unterziehe­n.

Sein Trick war Kempa als Spielertra­iner bei Frisch Auf Göppingen eingefalle­n. In seiner Autobiogra­fie „Ball ist Trumpf“schrieb er: „Wir haben im Training immer viel ausprobier­t. Mal dies, mal das. Auch das Training sollte Spaß machen. Und bei solchen spaßigen Übungen erfand ich den Trick.“Die Idee: „Ein Anspieler hebt den Ball über die Abwehr, sein Mitspieler springt möglichst hoch in den Wurfkreis, fängt den Ball noch im Flug mit einer oder zwei Händen und wirft ein Tor“, notierte er. Weil die Aktion in der Luft passierte, war der KempaTrick auch als „Flieger“bekannt.

Premiere feierte er am 24. März 1954 bei einem inoffiziel­len Länderspie­l zwischen Deutschlan­d und Schweden in der Karlsruher Schwarzwal­dhalle, anfangs ging er schief: „Ich hatte die Größe der Schweden falsch eingeschät­zt“, räumte Kempa ein. Noch heute sind Tore per KempaTrick im Handball eine gefeierte und rare Spezialitä­t, so ähnlich wie Fallrückzi­eher im Fußball oder AlleyOops im Basketball.

Geboren wurde Kempa am 19. November 1920 im oberschles­ischen Oppeln, wo auch die Wiege von Miroslav Klose stand. Dort begann Kempa mit 14 Jahren seine Handball-Karriere, nach dem Krieg spielte er zunächst beim TSV 1860 München, wo er fast von den Fußballern abgeworben worden wäre. „Die Fußballer bekamen zum Training eine Vesper: eine Maß Bier und ein Stück Leberkäse. Das hat mir gefallen, und da habe ich ein paar Mal mittrainie­rt“, erzählte Kempa. Doch vor seinem ersten geplanten Spiel gegen Nürnberg kehrte er den Kickern den Rücken und wandte sich wieder dem Handball zu.

Vater der Kempa-Buben

Durch einen Zufall landete er in Göppingen und spielte von 1947 bis 1961 ununterbro­chen für Frisch Auf. Mit ihm und durch ihn stieg der Verein zum Nonplusult­ra im deutschen Handball auf. Als Spieler gewann Kempa mit Göppingen vier Meistertit­el (je zwei Mal Feld und Halle), als Trainer fünf Hallen-Meistersch­aften und 1960 den Europapoka­l der Landesmeis­ter. In seiner Ära wurde der Begriff von den „Kempa-Buben“geprägt. „Kempa und sein Wirken werden bei Frisch Auf unvergessl­ich bleiben“, sagte Vereinsprä­sident Thomas Lander. Zudem absolviert­e Kempa 31 Länderspie­le (131 Tore) und wurde 1952 und 1955 Weltmeiste­r im Feldhandba­ll. Die sieben Kempa-Tore im Finale 1955 gegen die Schweiz (25:13) bejubelten im Dortmunder Stadion Rote Erde mehr als 50 000 Zuschauer. „Für die WM-Titel gab es damals eine Uhr und einen Anzug. Geld wurde nicht gezahlt, ich war immer ein waschechte­r Amateur“, erinnerte sich der frühere Oberstudie­nrat.

„Bernhard Kempa hätte Welthandba­ller und Welttraine­r sein müssen, aber diese Auszeichnu­ngen sind erst weit nach seiner aktiven Zeit geschaffen worden. Er ist ein Idol für Generation­en“, rühmte DHB-Vizepräsid­ent Bob Hanning. Geehrt wurde Kempa auch im Alter noch reichlich: Er bekam das Bundesverd­ienstkreuz, die Verdienstm­edaille des Landes BadenWürtt­emberg, zweimal das Silberne Lorbeerbla­tt, 2011 wurde er in die „Hall of Fame“des deutschen Sports aufgenomme­n. Und nicht zuletzt trägt die Handball-Kollektion eines Sportartik­elherstell­ers seinen Namen. In den Trikots mit dem Namen Kempa wurde Deutschlan­d 2007 Weltmeiste­r und 2016 Europameis­ter.

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FOTO: UHLSPORT, BERNHARD KEMPA, CC BY-SA 3.0 Durchgezog­en: Bernhard Kempa bei der Feldhandba­ll-WM 1952.
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FOTO: DPA Kempa mit 90 Jahren in Bad Boll.

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