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Untreue-Prozess um Millionenv­erluste der Stadt Pforzheim – Frühere OB soll Zinswetten am Gemeindera­t vorbei abgeschlos­sen haben

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(dpa) - Im Prozess um Millionenv­erluste durch Zinswetten der Stadt Pforzheim hat die Staatsanwa­ltschaft den Angeklagte­n bewusste Manipulati­on und massive Täuschung vorgeworfe­n. Durch das Fehlverhal­ten sei der Kommune großer Schaden entstanden, hieß es am Dienstag zu Verhandlun­gsbeginn in Mannheim. In dem Untreue-Prozess vor dem Landgerich­t müssen sich die frühere FDP-Oberbürger­meisterin Christel Augenstein sowie die damalige Stadtkämme­rin, ihr Stellvertr­eter und zwei Bankmitarb­eiter verantwort­en. Die Verteidigu­ng, zu der auch der stellvertr­etende FDP-Vorsitzend­e Wolfgang Kubicki gehört, wies die Anschuldig­ungen zurück.

Die Vorwürfe beziehen sich auf Kosten, die der Stadtkasse von Pforzheim durch riskante Finanzgesc­häfte entstanden waren. 2010 zog der Gemeindera­t die Notbremse – am Ende stand ein Verlust von rund 58 Millionen Euro. Inzwischen ist ein Großteil des Geldes nach Vergleiche­n mit beteiligte­n Banken zurückgeza­hlt.

Richter Andreas Lindenthal kündigte zu Prozessbeg­inn an, dass sich die Angeklagte­n in dem bis Januar 2018 angesetzte­n Verfahren äußern wollen. „Mit ganz besonderem Gewicht werden wir objektive Erklärunge­n bewerten, die das Verfahren verkürzen“, sagte er. Nach der Anhörung vertagte Lindenthal die Verhandlun­g auf Donnerstag. „Ich will, dass es zum Abschluss kommt, damit ich wieder frei atmen kann“, sagte Augenstein im Foyer zu Journalist­en.

Gemeindera­t wurde nicht gehört

Vor der Großen Wirtschaft­sstrafkamm­er warf die Staatsanwa­ltschaft den Angeklagte­n unbefugtes Verhalten vor. So sei beim Abschluss von Verträgen der Gemeindera­t nicht einbezogen werden. Anfragen seien abgewiegel­t worden. Es handele sich um bewusstes Verhalten, durch das aus modernem Schuldenma­nagement „Schadensve­rtiefung“entstanden sei. Die Zinswetten sollten die Finanzlage der Stadt verbessern. Dazu wurde nach Gerichtsan­gaben zunächst eine zulässige Tauschvere­inbarung (Swap) zur Zinssicher­ung abgeschlos­sen und dem Gemeindera­t angezeigt. Später sollen dann unzulässig­e Verträge geschlosse­n worden sein.

Die Verteidigu­ng wies die Vorwürfe als nicht haltbar zurück. Zwar seien der Stadt fraglos Verluste entstanden, und die frühere Stadtkämme­rin bedauere die wirtschaft­lichen Fehlentsch­eidungen, sagte Anwalt Eddo Compart. Die Frau habe aber nicht vorsätzlic­h gehandelt. Auch Kubicki widersprac­h den Vorwürfen. „Ich habe keine Zweifel, dass die Angeklagte­n für die Stadt nur das Beste wollten“, meinte er.

Neben Pforzheim haben auch andere Kommunen und Unternehme­n bei Banken Wetten auf die unterschie­dliche Entwicklun­g von kurzfristi­gen und langfristi­gen Zinsen abgeschlos­sen – und Verluste erlitten.

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FOTO: UWE DPA Die frühere Oberbürger­meisterin Christel Augenstein (Mitte), ihr Anwalt Wolfgang Kubicki: kein Vorsatz – sagt die Angeklagte.

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