Im Kopf der Geilste
Zehnkämpfer Freimuth auch mental gewappnet
(SID/dpa) - Rico Freimuth hatte genug. Der Körper streikte, all die Rückschläge und Verletzungen zermürbten den Zehnkämpfer, Muskeln und Gelenke schrien nach einem Seuchenjahr nach einer Pause – also nahm sie der WM-Dritte sich: vier Monate Wellness-Programm im Winter. „Mein Körper brauchte diese Auszeit unbedingt“, sagt Freimuth, ein Typ wie ein Baum. Vor der WM hat sich der 29-jährige Sportsoldat rechtzeitig zurückgemeldet. Und wie: Mit seiner Bestleistung von Ratingen (8663 Punkten) ist Rico Freimuth die Nummer 1 der Welt, zwei Jahre nach seinem Bronze-Coup von Peking gilt er in London von heute an wieder als Medaillenkandidat. „Alles ist möglich“, sagt der Hallenser, der auch den Olympiavierten Kai Kazmirek (Neuwied) zu den Anwärtern auf Edelmetall zählt.
Möglich ist alles, weil der König abgedankt hat: Weltrekordler, Olympiasieger und Titelverteidiger Ashton Eaton. Der US-Amerikaner hat nach den Spielen in Rio seine Karriere beendet. Eaton sei „ein mentales Monster“gewesen, sagt Freimuth, der 2016 keinen Zehnkampf beenden konnte und auch in Rio verletzungsbedingt aufgeben musste: „Ihm war keiner gewachsen.“Doch nun ist das Rennen um Zehnkampf-Gold so offen wie lange nicht mehr. Ein Weltmeister aus Deutschland? „Klingt richtig geil“, so Freimuth – als bislang letzter Deutscher hatte Torsten Voss 1987 den Titel für die DDR geholt.
Doch auch ohne Eaton ist die Konkurrenz gewaltig, der Olympiazweite Kevin Mayer (Frankreich) hat in diesem Jahr noch keinen Zehnkampf bestritten, gilt aber als Favorit. Auch Vizeweltmeister Damian Warner (Kanada) wird wieder hoch gehandelt, genau wie Ilja Schkurenjow, der als neutraler Athlet starten darf.
„Ich kann mir gut vorstellen, dass man 8600 Punkte für eine Medaille braucht“, schätzt Rico Freimuth – das hat in der Vergangenheit auch schon einmal für Gold gereicht, aber das Niveau ist in der Breite in diesem Jahr extrem hoch. Freimuth kann das, ebenso wie Kazmirek, der in Ratingen 8478 Zähler hinlegte, aber noch viel Potenzial nach oben hat. Für Mathias Brugger aus Ulm (8294) sind diese Sphären wohl noch zu hoch.
Sein schlimmes 2016 hat Rico Freimuth mental stärker gemacht. Der Körper funktioniert sowieso wieder, auch für das Psychoduell in London ist er bestens vorbereitet. Es gehe darum, sich so zu motivieren, dass „du dich im Kopf für den Geilsten hältst. Es geht um diesen extremen Zustand“, weiß Freimuth, dessen Vater Uwe mit 8792 Punkten immer noch zweitbester deutscher Zehnkämpfer aller Zeiten ist. „Ich fühle mich gut und bin für alle Fälle gewappnet.“