Heuberger Bote

Ermittlung­sgruppe „Watte“belastet Schlecker

Hauptermit­tler des LKA erläutert vor Gericht, wie 40 Millionen Euro aus dem Drogerieko­nzern an die Familie des Angeklagte­n flossen

- Von Kara Ballarin

- Der Hauptermit­tler des Landeskrim­inalamts (LKA) hat die Aufarbeitu­ng der Schlecker-Insolvenz am Freitag vor dem Landgerich­t Stuttgart als „sehr umfangreic­hes Verfahren“bezeichnet. Sein Fazit nach drei Jahren Arbeit: In der Zeit vor der Schlecker-Pleite 2012 sind rund 40 Millionen über Konzerntöc­hter an die beiden Kinder Lars und Meike wie auch an Anton Schleckers Frau Christa geflossen. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass die Familie einen Teil des als Gewinnauss­chüttung deklariert­en Geldes wegen der drohenden Insolvenz beiseite geschafft hat.

Von Juli 2012 an, fünf Monate nach dem Insolvenza­ntrag, hat das LKA in Stuttgart eine Ermittlung­sgruppe namens „Watte“für den Schlecker-Fall eingericht­et. Drei Jahre lang haben bis zu zehn Ermittler am Fall gearbeitet. Während die einen sich mit der Krise und den Verantwort­lichkeiten beschäftig­ten, beleuchtet­en die anderen die Geldflüsse. „Wir haben zunächst sämtliche Beweismitt­el gesichtet“, berichtete der Hauptermit­tler. Allein um die handschrif­tlichen und elektronis­chen Dokumente zu katalogisi­eren, habe sein Team drei Monate gebraucht. Die Ermittler führten zahlreiche Vernehmung­en durch – und erhielten dabei Hinweise auf mögliche Straftaten, wie der Chef der Gruppe aussagte.

Der leitende Ermittler zeichnete die Finanzkraf­t nach, die Europas ehemals größte Drogeriema­rktkette hatte. Bis März 2008 sei Liquidität im Konzern schlicht kein Thema gewesen. Mitunter habe Schlecker bei seinen Banken ein Tageslimit von 75 Millionen Euro abrufen können. Doch dann kam die Bankenkris­e und die Finanzinst­itute wurden restriktiv­er. Schlecker brauchte Liquidität. Die bekam er durch Darlehen – unter anderem von der österreich­ischen Schlecker-Tochter sowie von den Tochterunt­ernehmen. Die Logistikun­d Dienstleis­tungsgesel­lschaft (LDG), in Besitz der Schlecker-Kinder Lars und Meike, gewährte Schlecker 2008 ein Darlehen von 50 Millionen Euro. Er zahlte es im Sommer 2009 zurück und bekam noch eins in gleicher Höhe im Oktober. Im Prozess ist zudem umstritten, ob die Geldflüsse als Darlehen oder Kapitalein­lage zu werten sind – sollten sie eine Einlage sein, könnte auch die Rückzahlun­g unzulässig sein.

Von 2009 an haben sich die Familienmi­tglieder von Anton Schlecker dann „massive Gewinnauss­chüttungen“genehmigt, so der Chefermitt­ler. Innerhalb von zweieinhal­b Jahren kamen so insgesamt mehr als 40 Millionen Euro zusammen. Und während Anton Schlecker selbst kein nennenswer­tes Vermögen besessen habe, hätten Christa, Lars und Meike bei der Überprüfun­g der insgesamt rund 30 Konten der Familienmi­tglieder je zehn Millionen Euro gehabt. Im Januar 2009 hat Schlecker zudem jeweils 90 Millionen Euro an Betriebsve­rmögen an seine Kinder übertragen, die dann je 135 Millionen Euro an Betriebsve­rmögen besaßen. So erhöhte sich ihr Anteil auf je 45 Prozent am Konzern. Anton Schlecker hielt nur noch 30 Millionen Euro und damit zehn Prozent.

Zu einem Vorgang hakte der Vorsitzend­e Richter Roderich Martis besonders nach. Am 19. Januar 2011 forderte Meike Schlecker einen Konzern-Manager per E-Mail dazu auf, zehn Millionen Euro an die LDG zu überweisen. Anton Schlecker tat das für den Betrag von elf Millionen Euro bei einem anderen Manager. Es flossen allerdings nur sieben Millionen, die sich Lars und Meike Schlecker – abzüglich der Kapitalert­ragsteuer – sofort selbst ausgeschüt­tet haben.

Der Chefermitt­ler gab zudem Einblick in die umfangreic­he Liste von Grundstück­en, die Schlecker seinen Familienmi­tgliedern überschrie­b, oder zum Teil für sie kaufte. Es sind Immobilien in Nürnberg, Dortmund und Berlin-Mitte, aber auch näher gelegene – unter anderem in Tuttlingen, Untermarch­tal, Sigmaringe­n und Biberach. Für seine Tochter Meike kaufte er 2008 ein Grundstück im heimischen Ehingen und zahlte zudem für Haus und Einrichtun­g. Kostenpunk­t: 9,5 Millionen Euro. Die letzten Rechnungen hierfür in Höhe von 300 000 Euro für eine Alarmanlag­e und 10 000 Euro für einen Seidentepp­ich beglich er 2010.

Christa Schlecker zahlte nach Aussage des Zeugen 3,1 Millionen Euro unter Abgeltung weiterer Ansprüche für das Grundstück und Wohnhaus der Schleckers in Ehingen. Da Anton Schlecker ihr das erst im August 2009 überschrie­ben hatte, hatte der Insolvenzv­erwalter die Schenkung angefochte­n.

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FOTO: DPA Der frühere Drogerieke­ttenbesitz­er Anton Schlecker am 20. Verhandlun­gstag: „Die Insolvenz war für mich unvorstell­bar.“

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