Heuberger Bote

„Die Kinder werden immer jünger“

Dieter Meyer spricht über die Situation bei der Diakonisch­en Jugendhilf­e Mutpol

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- Die Diakonisch­e Jugendhilf­e Mutpol feiert am Sonntag, 24. September, von 10 bis 14 Uhr einen Tag der offenen Tür. Die Ankündigun­g dazu nutzte unser Redakteur Christian Gerards um mit MutpolGesc­häftsführe­r Dieter Meyer über die Einrichtun­g zu sprechen.

Herr Meyer, Mutpol stand in den vergangene­n Monaten vielfach wegen der Unterbring­ung von unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en (UMA) in der Öffentlich­keit. Wie sieht es derzeit aus?

Wir stellen uns immer die Frage, wie wir es hinbekomme­n, die minderjähr­igen Flüchtling­e zu integriere­n. Unser Problem schlechthi­n ist es, für sie Wohnungen zu finden. Das gilt nicht nur für den Landkreis Tuttlingen, sondern auch für den Schwarzwal­dBaar-Kreis und den Landkreis Rottweil. Der fehlende Wohnraum macht die Integratio­n schwierige­r, denn die UMA können wir sonst nicht auf die Normalität vorbereite­n. Das führt bei ihnen auch zu Unzufriede­nheit, Ärger und Frust.

Kommen noch viele UMA?

Derzeit kommen keine nach. Aber wir haben Strukturen aufgebaut, die wir schnell wieder reaktivier­en können, wenn wir wieder einen größeren Zustrom haben.

Sie betreuen in erster Linie junge Menschen, die im Kreis Tuttlingen in ihren Familien aufwachsen sollten, es aber nicht können. Wie groß ist die Anfrage seitens des Jugendamts, ob Mutpol Kinder und Jugendlich­e aufnehmen kann?

Wir bekommen relativ viele Anfragen. Was mir Sorge bereitet ist die Tatsache, dass die Kinder, die wir stationär aufnehmen, immer jünger werden und sich nicht unbedingt in Wohngruppe­n einglieder­n lassen. Sie ecken an oder sind eigenbrötl­erisch. Wir bekommen viele Anfragen für Kinder im Grundschul­alter. Das hat es vor zehn Jahren noch nicht gegeben. Manche Eltern können sich nicht ausreichen­d um ihre Kinder kümmern, weil ihnen Zeit, Kompetenze­n oder Strukturen fehlen. Die Digitalisi­erung und die neuen Medien sind dabei ein Problem. Die Eltern wissen oft nicht, wie sie mit ihrem Kind umgehen sollen. Dabei vernachläs­sigen sie ihr Kind nicht bewusst. Aber es gibt Kinder, die verkümmern und keine Bindung zu ihren Eltern aufbauen können.

Wie viele Kinder und Jugendlich­e betreut Mutpol derzeit?

Wir betreuen stationär rund hundert Kinder und Jugendlich­e in insgesamt neun Wohngruppe­n. Aufgrund der Anzahl an Anfragen überlegen wir, eine weitere Wohngruppe aufzumache­n. Dazu kommen 70 Kinder und Jugendlich­e, die bei uns teilstatio­när sind und rund 150 ambulante Kinder. Insgesamt betreuen wir 600 bis 700 junge Menschen, vor allem im Alter zwischen sechs und 17 Jahren mit ih- ren Familien. Dafür stehen Mutpol 400 Mitarbeite­r zur Verfügung, die immer neue Projekte entwickeln.

Welche sind das etwa?

Wir suchen derzeit etwa ein Objekt, in dem wir Eins-zu-eins-Settings machen können, bei dem also ein Mitarbeite­r mit einem Kind arbeitet. Wir sind an einem Bauernhof dran, damit die Kinder mehr Wissen über die Tierhaltun­g und den Kreislauf der Nahrung erhalten können. Die Kinder und Jugendlich­en sollen dort etwas erlernen, was sie noch nicht kennen. Sie sollen so Verantwort­ung für das eigene Essen lernen und einen Zugang zu sich selbst finden. Ihr Handeln nutzt und bringt den Kindern etwas. Sie müssen darin aber auch einen Erfolg für sich sehen. Aber das geht nur mit Kommunikat­ion und Bildung. Uns ist Ehrlichkei­t und Transparen­z sehr wichtig. Kinder und Jugendlich­e müssen am Vorbild lernen.

Worin hat sich Mutpol in den vergangene­n Monaten besonders weiterentw­ickelt?

Wir haben uns im Bereich Autismus spezialisi­ert und viele Angebote, auch in unserer Schule, entwickelt. Wir sind derzeit am überlegen, ob wir eine Wohngruppe für autistisch­e Kinder und Jugendlich­e aufmachen können. Das hängt aber auch von der Frage ab, wie groß Mutpol noch werden kann.

Wieso?

Das hat viel mit internen Strukturen zu tun. Je größer Mutpol wird, umso schwierige­r ist der Informatio­nsfluss, und die Kommunikat­ion wird unpersönli­cher.

Neue Ideen umzusetzen, bedeutet auch Geld in die Hand zu nehmen.

Ja, wir benötigen Geld in der Hinterhand und müssen auch mal ein Stück ins Risiko gehen. Mit dem Tuttlinger Landratsam­t haben wir aber einen Partner auf Augenhöhe. Wir gehen sehr offen und ehrlich miteinande­r um. Das ist schon eine bemerkensw­erte Kultur. Aber auch mit den Firmen kommen wir gut ins Gespräch.

In der Nachbarsch­aft von Mutpol in der Nordstadt hat sich in Sachen Wohnbebauu­ng einiges geändert. Gibt es mit den neuen Nachbarn Probleme?

Nicht anders als in jeder anderen Nachbarsch­aft. Durch das neue Wohngebiet liegt Mutpol nun mitten im Wohngebiet. Das finde ich gut. Noch in den 1960er-Jahren lag Mutpol am Rand. Das kann man schön auf alten Fotos sehen.

Mutpol verfügt etwa mit Simone Hauswald, Marc Buschle und Pascal Wehrlein über Sportler, die als Paten fungieren und mit den Kindern einiges unternehme­n. Passt das noch?

Sie machen relativ viel mit und für die Kinder. Es ist gut zu wissen, dass sie wissen, dass es uns gibt. Allerdings hat Pascal Wehrlein derzeit andere Sachen zu tun, und Simone Hauswald und Marc Buschle haben ihre aktive Karriere beendet. Wir benötigen weitere aktive Sportler, am idealsten wäre ein Fußballer.

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FOTO: ARCHIV/PM Marc Buschle (hinten, rechts) ist einer der Paten von Mutpol. Die Diakonisch­e Jugendeinr­ichtung sucht aktive Sportler, die sich für die jungen Menschen einsetzen wollen.
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FOTO: ARCHIV Dieter Meyer

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