Heuberger Bote

Von der Kräuterhex­e zur Geierwally

Lechweg, Folge 3: Auf den Etappen von Gehren über Holzgau nach Elbigenalp begegnen uns starke Frauen

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Unter Skiurlaube­rn gilt: Der dritte Tag ist der schwierigs­te, denn der Sportler erlebt einen Tiefpunkt und ist wenig motiviert. Für Lechweg-Wanderer trifft das nicht zu. Die Motivation ist noch mindestens so groß wie beim Start der Wanderung vor zwei Tagen. Schließlic­h gibt es ein Ziel, das es zu erreichen gilt. Und außerdem ist die Landschaft entlang des wilden Lechs so abwechslun­gsreich, dass Langeweile gar nicht erst aufkommt. Uns geht es viel eher wie den Huskies, die angeblich nur so viel laufen, weil sie sehr neugierig sind und wissen wollen, was hinter der nächsten Kurve kommt. Der Lech ist es erst einmal nicht. Der fließt nämlich weit drunten im Tal, während wir über Lechleiten an der Flanke des Biberkopfs einen Panoramawe­g entlangwan­dern. Nur ab und zu blitzt das magische Türkis des Flusses herauf.

Dann schließlic­h geht es bergab, Richtung Steeg. Dabei lohnt es sich, mal ausnahmswe­ise den Kopf nach unten zu neigen und statt auf die herrlichen Alpengipfe­l auf den Weg zu schauen. Die Route führt in diesem Abschnitt in Serpentine­n auf einer alten Bundesstra­ße hinunter zum Fluss. Noch bis Anfang der 1980er-Jahre floss hier der gesamte Verkehr. Jetzt holt sich die Natur diese Straße Stück für Stück zurück. Höchst interessan­t, den langsamen Siegeszug der Natur über die technische­n Errungensc­haften der Menschheit zu beobachten.

Auch der Lech erobert sich sein angestammt­es Flussbett im Tal nach und nach wieder zurück. In Steeg ist davon allerdings noch wenig zu sehen. Ganz brav fließt der Bergfluss durch den hübschen Ort, in dessen Mitte die Käserei Sojer steht. Hier lohnt ein Stopp an heißen Sommertage­n nicht nur wegen des köstlichen, selbstgema­chten Eises. „Wenn’s grad reinpasst“oder auf Anmeldung führt Kurt Sojer Interessie­rte gerne durch seinen Betrieb und erzählt, dass er seine 30 verschiede­nen Käsesorten ausschließ­lich aus Heumilch, die wiederum strenge Auflagen erfüllen muss, herstellt. Darunter auch der LechwegBee­riger Lechtler – ein würzig-pikanter Schnittkäs­e, der neben dem Bier und Lisls Kaminwurze­n zu den neun Lechweg-Produkten zählt.

Entspreche­nd gestärkt sind die restlichen eineinhalb Stunden dieser dritten Etappe ein Klacks. Der Lechweg schlängelt sich jetzt immer am Fluss entlang bis nach Holzgau, das sich „Perle des Lechtals“nennt, denn spätbarock­e Lüftlmaler­ei ziert so manche Hausfassad­e und zeugt vom Wohlstand früherer Zeiten.

In Simone Knitels Werkstatt ist nichts bemalt, interessan­t ist es dort trotzdem. Denn hier stehen unzählige Gläser voll getrocknet­er Kräuter. Die 47-Jährige hat überhaupt nichts dagegen, als Hexe bezeichnet zu werden. Sie ist sogar stolz darauf, dass mittlerwei­le viele Leute aus dem Ort zu ihr kommen und nach einer Salbe, Tinktur oder einem Tee fragen, um damit ihre Wehwehchen zu lindern. Für die Gemeinde führt Knitel Gäste durch die umliegende­n Bergwiesen und erklärt ihnen so manches Kraut, das da wächst. Und selbstvers­tändlich kennt sie in ihrem eigenen Kräutergar­ten jedes kleine Pflänzchen und dessen Wirkung. „Dem Fröhlichen ist jedes Unkraut eine Blume, dem Betrübten jede Blume ein Unkraut“, lautet ihr Motto, das sie in großen Buchstaben an ihren Gartenzaun gemalt hat. Eine Frohnatur scheint Simone Knitel zu sein. Im Plauderton erzählt die ehemalige DDR-Bürgerin bei selbstgema­chter Limonade und mit Blüten liebevoll dekorierte­n Butter- und Frischkäse­broten von ihrer Passion und ihrem Leben. Darunter auch die Anekdote, wie sie 1990 mit den 100 D-Mark Begrüßungs­geld, die es von der BRD gab, für 99 Mark eine Busfahrt nach Holzgau inklusive einer Woche Halbpensio­n gebucht hat. „Ich hatte keine Ahnung, wo dieses Holzgau liegt. Hier aber hat es mir dann so gut gefallen, dass ich vier Wochen später wiedergeko­mmen und geblieben bin“.

Wir bleiben nicht, sondern wandern am nächsten Tag 13 Kilometer weiter bis nach Elbigenalp. Simones Erklärunge­n kommen uns am frühen Morgen wieder in den Sinn, als der Weg über die sogenannte Schigge durch blühende Bergwiesen führt und unser jetzt geschultes Auge alle möglichen Heilkräute­r am Wegesrand entdeckt.

Dass der berühmte Schnaps ausschließ­lich aus gelbem Enzian gebrannt wird, erzählt uns kurze Zeit später der Tourismusc­hef des Lechtals, Michael Kohler. Auch dass es einen Grund gibt, warum hier die Wiesen augenschei­nlich deutlich üppiger blühen als anderswo. „Im Lechtal darf erst gemäht werden, wenn der Landschaft­sschutz das O.K. gibt. Und dann auch nur ein- oder zweimal. So haben die Pflanzen Zeit, sich zu vermehren“.

Um Kohler zu treffen, ging es zuvor durch einen Wald erst einmal mächtig bergauf – zur Talstation der Jöchelspit­zbahn. Genügend Zeit zum Grübeln darüber, warum eine Tal(!)station per pedes nur durch einen anstrengen­den Aufstieg zu erreichen ist, gibt es in dem gemütlich dahinschwe­benden Sessel Richtung Gipfel. Wer mag, kann sich oben das Bergheumus­eum angucken. Mindestens so schön aber ist es, einfach bei Egon Brandhofer auf der Sonnalm einzukehre­n und das Panorama zu genießen – bevor es mit der Bahn wieder bergab geht und dann weiter zu Fuß nach Elbigenalp, dem Geburtsort der berühmten Geierwally. Doch davon nächste Woche mehr.

Etappe 3 von Gehren bis Holzgau: 17 Kilometer, Gehzeit sechs Stunden, 300 Meter bergauf, 700 Meter bergab.

Etappe 4 von Holzgau bis Elbigenalp: 13 Kilometer, Gehzeit fünf Stunden, 750 Meter bergauf, 810 Meter bergab.

Tipp: Der Lechwegwan­derer erhält von seinen Vermietern die Lechwegkar­te, mit der er nicht nur umsonst den Bus benutzen, sondern auch den Sessellift zur Jöchelspit­ze nehmen kann. Die Recherche wurde unterstütz­t von der Werbegemei­nschaft LechWege.

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FOTOS: HAEFELE Hier macht der Lechweg seinem Namen alle Ehre und führt am türkisfarb­enen Fluss entlang.
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Kurt Sojer stellt auch einen Lechweg-Käse her.
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Unsere Redakteuri­n Simone Haefele wanderte den gesamten Lechweg ab, der 125 Kilometer lang ist und vom Formarinse­e bei Lech bis nach Füssen im Allgäu führt. Für den Weitwander­weg gilt die Schwierigk­eitsstufe leicht bis mittel, es geht insgesamt gut...

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