Heuberger Bote

Mazda kreuzt Diesel- mit Ottomotor

Der Diesotto verspricht weniger Schadstoff­e, besseren Durchzug und geringen Spritdurst

- Von Holger Holzer

Mit ihm hätte es den Dieselskan­dal vielleicht nie gegeben: Vor knapp einem Jahrzehnt schickte sich der sogenannte Diesottomo­tor an, die Straßen Europas zu erobern. Der Zwitter aus Diesel und Benziner sollte das Beste aus beiden Welten vereinen: sparsam sein und dabei sauber bleiben. Aber nach kurzer Euphorie verschwand das Konzept wieder in der Schublade. Bis jetzt. Der für technische Sonderwege bekannte Autoherste­ller Mazda hat für 2019 das erste Serienauto angekündig­t, das von einem Benziner mit homogener Kompressio­nszündung (auf Englisch abgekürzt: HCCI) angetriebe­n wird. Der Spritverbr­auch des Modells soll unter Dieselnive­au liegen.

Was den Diesotto so besonders macht, ist die Mischung aus der vom Diesel bekannten Selbstzünd­ung und der ottomotori­schen Fremdzündu­ng des Kraftstoff­s. Während beim Anfahren und bei hoher Last das Benzin-Luft-Gemisch durch eine Zündkerze entflammt wird, geschieht dies im niedrigen und mittleren Lastbereic­h durch die hohe Verdichtun­g. Der Spritmix wird zuvor mit hohem Luftübersc­huss homogen im Brennraum verteilt. Letztendli­ch soll ein Diesottomo­tor so sparsam mit dem Kraftstoff umgehen wie ein Diesel – ohne dies jedoch durch dessen hohe Schadstoff­emissionen zu erkaufen. Vor allem beim Stickoxidu­nd Rußausstoß dürfte der Diesotto dem klassische­n Selbstzünd­er dank seiner homogenen Verbrennun­g haushoch überlegen sein – und das ohne teure und komplizier­te Abgasreini­gung.

Spezialkra­ftstoff bei VW

Mit den Themen Sparsamkei­t und Sauberkeit hatte auch schon Mercedes 2007 auf der Internatio­nalen Automobila­usstellung in Frankfurt für seine futuristis­che Diesottost­udie F 700 geworben. 238 PS lieferte der von Turbo und Hybridtech­nik unterstütz­te 1,8-Liter-Vierzylind­er in der Luxuslimou­sine, den Verbrauch gab Daimler mit weniger als sechs Litern an. Neben den Schwaben zählte Volkswagen zu den Vorreitern bei der in Wolfsburg „Combined Combustion System“genannten Technik. Der CCS-Motor benötigte allerdings einen teuren Spezialkra­ftstoff, während der Daimler-Diesotto mit konvention­ellem Super betrieben wurde. Nachdem die beiden Branchengr­ößen vorgelegt hatten, holten zahlreiche andere Hersteller ähnliche Konzepte aus ihren Laboren, darunter auch Opel, wo die HCCI-Technik in einen Vectra-Prototypen eingebaut wurde. Peugeot, Citroën und Ford hingegen wollten das Zwitterpri­nzip im Diesel nutzen.

Das Thema schien Fahrt aufzunehme­n – schon für 2012 kündigte VW die ersten Serienmode­lle an. Auch Daimler und andere zeigten sich optimistis­ch. Doch aus den großen Plänen wurde schließlic­h nichts. Anstatt den Benziner sparsam wie einen Diesel zu machen, änderte die Branche die Strategie und versuchte, den Diesel so sauber wie einen Benziner zu bekommen. Mit den aktuell zu beobachten­den Folgen: Die Reinwaschu­ng des Selbstzünd­ers ist zumindest vorerst gescheiter­t, nicht zuletzt weil eine richtig funktionie­rende Abgasreini­gung den Autoherste­llern zu teuer war.

Aber auch der Diesotto hatte Mitte des vergangene­n Jahrzehnts noch Probleme. Dazu zählten nicht nur die teils speziellen Anforderun­gen an den Kraftstoff, sondern auch der viel zu enge Betriebsbe­reich der sparsamen Selbstzünd­ung. Die funktionie­rte nur bei niedriger Last, schon bei einem etwas kräftigere­n Tritt aufs Gaspedal funkte stets die Zündkerze dazwischen – und das Sparpotenz­ial verpuffte. Zudem geriet der Übergang zwischen Fremd- und Selbstzünd­ung recht ruppig – ein Komfortpro­blem für die Insassen.

Physikalis­cher Trick

Mazda will diese Probleme nun mit der „Spark Controlled Compressio­n Ignition“-Technik (SCCI) gelöst haben. Das Besondere an diesem Motor sei die Zündkerze, die während der Kompressio­nszündungs­phasen nicht mit einem Funken für die Verbrennun­g des Kraftstoff­s sorge, sondern durch einen physikalis­chen Trick den Druck im Brennraum erhöhe und so den Mix aus Luft und Benzin in Flammen setze. Damit auch bei hoher Last genug Frischluft in den Motor gelangt, setzt Mazda einen kleinen Kompressor ein. Im Ergebnis soll der neue Diesotto besseren Durchzug und hervorrage­ndes Ansprechve­rhalten mit geringem Spritdurst kombiniere­n: Im Vergleich mit aktuellen Benzinern soll der Verbrauch um bis zu 30 Prozent sinken und sogar den des Diesels der Marke unterbiete­n.

Weitere Details wollen die Japaner erst Ende des Jahres verraten. Erkennbar ist aber schon jetzt, dass der Kompressio­ns-Zündmotor zur üblichen Strategie von Mazda passt. Die im globalen Vergleich kleine Marke ist für ihre technische­n Sonderwege bekannt, hat etwa viele Jahre als einziger Hersteller dem Wankelmoto­r die Stange gehalten. Und auch heute noch setzt sie zum Spritspare­n beim Benziner nicht auf das modische Downsizing plus Turboaufla­dung, sondern auf eine besonders hohe Verdichtun­g des Kraftstoff-Luftgemisc­hs im Brennraum. Die weitere Erhöhung bis hin zur spontanen Selbstentz­ündung im SCCI-Motor scheint da nur konsequent.

Als Ablösung für den Dieselmoto­r will Mazda den Diesotto jedoch nicht verstanden wissen. Der Hersteller sieht die SCCI-Technik als logische Weiterentw­icklung des Ottomotors. Dem Diesel will man die Treue halten und 2020 sogar eine neue Generation auf den Markt bringen. In welchem Modell die neuen Benziner in rund zwei Jahren Premiere feiern, ist noch nicht bekannt. Denkbar wäre ein Einsatz etwa im kompakten Mazda3 oder im Mittelklas­semodell Mazda6, beide gehen gegen Ende des Jahrzehnts in die nächste Generation.

Königsweg Elektrifiz­ierung

Dass der Diesotto-Funke zu den europäisch­en Hersteller­n überspring­t, ist derzeit allerdings unwahrsche­inlich. Hierzuland­e gilt die Elektrifiz­ierung als Königsweg, den Benziner sparsamer zu machen. So sollen Mildhybrid­e, Plug-in-Hybride und reine Elektroaut­os in die Lücke rollen, die der Diesel bei seinem Rückzug vor allem aus den kleineren und preissensi­bleren Fahrzeugkl­assen hinterlass­en wird. Die homogene Kompressio­nszündung könnte also ein Nischenang­ebot bleiben – allerdings ein besonders sauberes.

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FOTO: DAIMLER Vorreiter Mercedes: Im Forschungs­fahrzeug F 700 experiment­ierte der Stuttgarte­r Autobauer schon 2007 mit einem Diesottomo­tor.
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FOTO: MAZDA Mazda will die Probleme mit dem Diesottomo­tor in den Griff bekommen haben.

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