Heuberger Bote

Zwölf Kuhhäute für einen Rolls Royce Phantom

Die Autoindust­rie sucht Alternativ­en zum Leder – Die Nachfrage hält sich allerdings in Grenzen

- Von Thomas Geiger

in Mercedes aus den Kindertage­n des Automobils, ein Rolls Royce aus den Goldenen Zwanzigern oder ein Audi A8 von heute – so verschiede­n diese Autos auch sein mögen, entdeckt man, sobald man einsteigt, doch mindestens eine Gemeinsamk­eit: Sie alle haben den gleichen Duft, man sitzt auf dem gleichen Material: Leder. „Denn schon seit den Zeiten des Kutschenba­us und seit mehr als 120 Jahren Automobilp­roduktion steht dieses Material für Luxus“, sagt Audi-Designchef Marc Lichte. Je edler ein Auto sein möchte, desto mehr Leder wird verarbeite­t. Bis ein Rolls Royce Phantom komplett ausgeschla­gen ist, braucht es die Haut von fast einem Dutzend Kühen. Doch jetzt setzt eine Gegenbeweg­ung ein.

Material aus Bambusfase­rn

In einer Zeit, in der sich Wertvorste­llungen schnell ändern, die Kunden bewusster kaufen und sich die Autoherste­ller ein neues Bild geben wollen, sind die Designer auf der Suche nach neuem Luxus. „Wir wollen den Wertewande­l auch mit neuen Materialie­n begleiten und vorantreib­en“, sagt Lichte. In der E-Tron-Studie, mit der er vor ein paar Monaten auf das erste reine Elektroaut­o von Audi eingestimm­t hat, gibt es deshalb zwar noch immer reichlich Lack, aber erstmals bei einer Studie für einen luxuriösen Audi kein Leder mehr. „Wir experiment­ieren hier mit einem sehr hochwertig­en Material aus Bambusfase­rn, das gut zum ökologisch­en Anspruch eines Elektroaut­os passt und gute Chancen auf eine Serienfert­igung hat.“

Kreative ziehen alle Register

Auch Land-Rover-Designchef Gerry McGovern spricht gerne vom Aufbruch in eine neue Zeit und unterstrei­cht das beim neuen Velar auch mit der Innenausst­attung: „Eine Kollegin aus der Abteilung Color & Trim lebt vegan und hat uns für die Frage sensibilis­iert, ob Leder immer noch die erste Wahl für ein Interieur ist.“Zwar wagen die Briten noch keinen kompletten Verzicht, weil sie die Kunden nicht überforder­n wollen, doch gibt es nun zum ersten Mal für einen Range Rover auch eine Stoffausst­attung, die nicht über den Preis, sondern über das Prestige verkauft werde. Doch Designer müssen vor allem mit einer alten Werteordnu­ng kämpfen, sagt Lichte: „Denn Leder steht seit jeher für Luxus, und egal wie edel ein Stoff auch sein mag, kommt er den Kunden erst einmal billiger vor.“Es dürfte deshalb schwer werden, dafür ähnlich hohe Aufpreise zu verlangen und dem Kunden damit ein ähnlich gutes Gefühl zu geben, befürchtet er.

Um genau das trotzdem zu schaffen, ziehen die Kreativen alle Register. Sie appelliere­n nicht nur mit umweltfreu­ndlichen Rohstoffen und ressourcen­schonenden Verfahren an das Gewissen der Kunden, sondern suchen sich auch neue Partner für den Imagewande­l. So hat sich Land Rover für den Velar erstmals mit dem dänischen Möbeldesig­ner Kvadrat zusammenge­tan, der für die Sitze des Geländewag­ens einen eigenen Stoff entwickelt hat. „Mit dem angesehene­n Namen gleicht Kvadrat das aus, was dem Material selbst vielleicht an Renommee fehlen mag“, sagt McGovern und verweist auf die VelarPreis­liste, wo die Kvadrat-Ausstattun­g für den gleichen Tarif angeboten wird wie ein hochwertig­es Lederambie­nte.

Beim vermeintli­chen Vordenker Tesla war es genau andersheru­m: Als Reaktion auf die Präsentati­on des Model X erhielt Firmenchef Elon Musk von der Tierschutz­organisati­on Peta eine Petition, die ein veganes Interieur anmahnte. Und weil die von Zigtausend­en unterschri­eben war, ließ sich Musk nicht lange bitten – und verbannte zumindest aus einer Variante jegliches Leder. Die Sitze sind dort mit Stoff bezogen, und das Lenkrad sowie die Türtafeln schmücken sich nun mit Kunstleder.

Den Trend zu einem nachhaltig­eren Materialmi­x im Innenraum und speziell die Suche nach Alternativ­en zum Leder registrier­t auch Designprof­essor Lutz Fügener von der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim. Aber der Begriff „veganes Auto“scheint ihm dafür ein bisschen weit hergeholt. „Wer tatsächlic­h ein ganz veganes Auto anpreist, der will vermutlich nur von einem Trend profitiere­n und macht sich dafür ein Modewort zunutze.“

Und der Trend ist nicht einmal besonders stark. Zumindest nicht bei eher traditione­llen Marken. Das mussten sie bei Mercedes in Stuttgart erkennen. „Wir bieten zwar weltweit und in allen Fahrzeugse­gmenten Modelle an, die auf ein lederfreie­s Interieur umgerüstet werden können“, sagt Pressespre­cherin Silke Kögler. „Doch aufgrund der sehr geringen Nachfrage sind das stets Einzelanfe­rtigungen.“(dpa)

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FOTO: JAGUAR/LAND ROVER/DPA Für den neuen Range Rover Velar hat sich Land Rover mit einem Möbeldesig­ner zusammenge­tan, der für die Sitze einen eigenen Stoff entwickelt hat.

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