Heuberger Bote

Der Turm sträubt sich gegen das Kleidle

Ungewiss, ob die Außenhülle bis zur Einweihung im Oktober komplett montiert ist

- Von Lothar Häring

Noch ist ungewiss, ob die Außenhülle bis zur Einweihung montiert ist.

- Die Einweihung des Aufzug-Testturms von ThyssenKru­pp in Rottweil mit Eröffnung der höchsten Aussichtsp­lattform Deutschlan­ds (232 Meter) findet am ersten Oktober-Wochenende statt – auch wenn die Außenhülle nicht fertig montiert sein sollte. Daran war der ursprüngli­che Termin im Mai gescheiter­t.

Allein die planerisch­e Rekonstruk­tion des Turmbaus zu Babel nahm 20 Jahre in Anspruch. Der Turmbau zu Rottweil dauerte gerade mal drei Jahre – einschließ­lich Planung, Bebauungsp­lanverfahr­en und mit Einhaltung der Kosten. Die älteste Stadt Baden-Württember­gs hält zwar keinem Vergleich mit dem biblischen Babel stand, aber der AufzugTest­turm von Thyssen-Krupp gilt als Meisterwer­k deutscher Baukunst und damit auch als Antityp zu anderen Großprojek­ten wie Elbphilhar­monie Hamburg, Oper Köln oder Flughafen Berlin. Doch auf den letzten Metern kam ein Rückschlag nach dem anderen.

Der Turm schwankt und krümmt sich

Der nackte Beton-Koloss mit 246 Metern Höhe sträubt sich mit allen Poren gegen sein Kleidle, ein in Rottweil vor allem an Fasnet gebrächlic­hes Wort. Dabei soll er ein besonders feines Tuch erhalten: ein teflonbesc­hichtetes, Schmutz abweisende­s Glasfaserg­ewerbe ganz in Weiß, das sich je nach Lichteinst­rahlung verfärbt. Entspreche­nd komplex ist die Montage.

Das liegt schon daran, dass der Turm etwa 30 Zentimeter schwankt und sich bei entspreche­nder Sonneinein­strahlung um mehr als 15 Zentimeter zur Schattense­ite hin krümmt. Hinzu kommt die technisch überaus anspruchsv­olle Montage. „So schwierig hätten wir uns das nicht vorgestell­t“, räumen die Techniker der Firma Taiyo Europe aus München ein, die auch das Dach des neuen Stadions von Atletico Madrid mit diesem neuartigen Material baut. „Aber auf so einem hohen Turm – das ist weltweit einzigarti­g“, berichten sie. Erste Pläne, alles mit Fassadenkl­etterern zu bewerkstel­ligen, erwiesen sich als nicht realisierb­ar. So entwickelt­e die Firma den Prototyp einer 110 Tonnen schweren Hebebühne („Fähre“), die von unten nach oben und umgekehrt fahren kann, die aber erst noch der TÜV abnehmen musste.

Gut 5800 Bohrlöcher in die Betonhülle waren nötig, um 1100 Stahlrohre­n zu verankern und so die 72 Membranfel­der mit einem Gewicht von alleine 70 Tonnen zu montieren. Jetzt, da die Technik vorhanden ist, macht das Wetter Probleme. Nach wie vor sind Fassadenkl­etterer nötig, wenn auch deutlich weniger, aber die können bei mehr als fünf Stundenkil­ometern Windgeschw­indigkeit nicht aufsteigen – zu gefährlich.

So ist die von oben begonnene Montage der Stofffelde­r inzwischen bei 190 Metern angelangt. Ob das – trotz Arbeiten rund um die Uhr – reicht für die Einweihung am ersten Oktober-Wochenende? „Wir sind zuversicht­lich, aber nicht sicher“, räumt Andreas Schierenbe­ck, der Vorstandsv­orsitzende von ThyssenKru­ppElevator, ein. „Das ist ärgerlich.“

Aber es ist mehr als ein Trost für ihn, dass der Testbetrie­b bereits planmäßig seit Dezember läuft und dass die Kosten von 40 Millionen Euro eingehalte­n werden konnten. Die Mehr-Ausgaben für die Hülle muss Taiyo übernehmen. Am Einweihung­stermin werde sich – unabhängig von der Hülle – nichts mehr ändern, versichert Schierenbe­ck.

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FOTO: TAIYO EUROPE GMBH
 ?? FOTO: TAIYO EUROPE GMBH ?? Arbeiter bauen an der Stahlrohr-Montage für die Membran, die den Turm bald umhüllen wird. Die Aufnahmen sind in 206 Metern Höhe auf der Plattform entstanden.
FOTO: TAIYO EUROPE GMBH Arbeiter bauen an der Stahlrohr-Montage für die Membran, die den Turm bald umhüllen wird. Die Aufnahmen sind in 206 Metern Höhe auf der Plattform entstanden.

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