„Ein Kommissar im Ausstand“
„Stille Wasser“von Donna Leon:
Eine Städtereise ist ungefähr das Letzte, was mir in den kostbaren Urlaubswochen einfiele. Viele Leute auf einem Haufen, Enge und wenig Grün bedeuten für mich das Gegenteil von Entspannung. Aber es gibt eine Ausnahme: Venedig. Ich kann tagelang durch die Gassen streifen und über die Kreuzfahrtschiffe in der Lagune hinwegsehen. Ich kann stundenlang bei einem oder zwei Prosecci in einem Straßencafé hocken und milde lächelnd auf die Touristenhorden blicken, die mich an jedem anderen Flecken der Erde sofort in die Flucht geschlagen hätten. Eine Erklärung für dieses Phänomen habe ich keine, Venedig ist einfach meine Stadt. Kein Wunder also, dass es mir die Commissario-Brunetti-Krimis von Donna Leon angetan haben, die in der Lagunen-Stadt spielen. Ich habe nicht alle gelesen, aber Nummer 26 liegt schon auf meinem Nachttisch: Im Mittelpunkt steht dieses Mal der Kommissar selbst, der ist nämlich ausgebrannt und braucht Erholung – kenn ich irgendwoher. Aber mit Füße hochlegen, Gedanken treiben lassen und einfach mal runter kommen wird es – natürlich – nichts.
Davide – ein alter Freund seines Vaters und passionierter Imker, der sich des Kommissars während dessen Ausstand annimmt, kommt zu Tode. Unfall? Mord? Selbstmord? Brunetti ist wieder in seinem Element. Ganz nebenbei lässt Donna Leon aktuelle Themen einfließen: Bienensterben, Naturzerstörung und nicht zuletzt den Massentourismus in der Stadt. Am Ende sind nicht alle Fragen beantwortet, ist nicht jeder Täter zur Verantwortung gezogen, aber die Erinnerung an die besondere Stadt Venedig ist wieder ganz wach.