Heuberger Bote

Abkochgebo­t: Alle wollen Wasser aus der Flasche

Seniorenhe­ime und Gastronomi­e reagieren auf Trikwasser-Verunreini­gung – Hamsterkäu­fe

- Von Sabine Streck und Mareike Kratt

VS-SCHWENNING­EN (sbo) - Das Abkochen des Trinkwasse­rs, das in weniger zivilisier­ten Ländern alltäglich ist, wird plötzlich auch in Schwenning­en notwendig.

Aufgrund der Grenzübers­chreitung der coliformen Bakterien im Trinkwasse­r hat das Gesundheit­samt in Abstimmung mit den Stadtwerke­n (SVS) das Abkochgebo­t verordnet. (Wir haben berichtet.) Seniorenhe­ime in Schwenning­en und die Gastronomi­e gehen profimäßig mit dieser Situation um.

Die Abkochanor­dnung vom Gesundheit­samt habe er gleich an alle Bereiche im Haus weiter geleitet, sagte Lothar Schropp, Leiter des Franziskus­heims. Zumindest heute müssten die Bewohner auf Kaffee verzichten, denn der werde ausfallen, da die großen Kaffeemasc­hinen, die direkt am Wasser angeschlos­sen sind, nicht mehr eingesetzt werden können – und Kaffeewass­er in großen Mengen abkochen, sei ein enormer Aufwand. Die Kaffeetrin­ker müssten halt auf Tee ausweichen. Fürs Zähneputze­n werde Mineralwas­ser gereicht.

„Wir hoffen, dass die Angelegenh­eit schnell erledigt ist“, so Schropp. Der Aufwand halte sich dennoch in Grenzen. Schlimmer wäre es, wenn Waschen und Duschen nicht mehr mit dem Wasser zu bewältigen wären.

Ähnlich wird auch im Bürgerheim verfahren, wenngleich dort die Groß-Kaffeemasc­hinen weiter genutzt werden können, da sie das Wasser vorher abkochen können, sagt Heimleiter Matthias Trautmann. Dennoch sei das ein Umstand, der einen Mehraufwan­d für die 150 Bewohner bedeute.

Im Haus der Betreuung und Pflege wird laut Paul Lubina, dem kommissari­schen Heimleiter, auf frischen Salat verzichtet, dafür auf Obst- und Gemüsekons­erven zurück gegriffen. Für die Wundreinig­ung und Mundpflege der Bewohner werde abgekochte­s Wasser gereicht.

Gastronomi­e reagiert profession­ell

Auch in der Gastronomi­e wird profession­ell mit der Anordnung des Gesundheit­samtes umgegangen. Michael Staiger, Kreisvorsi­tzender der Dehoga und Inhaber des Irish Pub, hat in seinem Betrieb die erforderli­chen Maßnahmen angeordnet. „Der große Kessel steht schon auf dem Herd.“

Ein Aushang informiere die Mitarbeite­r, dass alle Gefahrenqu­ellen ausgeschal­tet seien. Auf Salat verzichte er nicht, der werde selbstvers­tändlich auch mit abgekochte­m Wasser gereinigt. Staiger spricht für seine Kollegen und sieht es als unbedenkli­ch an, in die Gastronomi­e zu gehen. „Das sind alles Profis.“Die Maßnahmen seien machbar. Es gebe Schlimmere­s. Jetzt sehe aber jeder, wie wertvoll sauberes Wasser sei.

Ganz entspannt kann sich Sascha Flohr von Zoo Flohr zurücklehn­en. „Für uns ist das kein Thema“, denn die Tierhandlu­ng habe sich auf Meerwasser­fische spezialisi­ert. In diesen Aquarien werden Spezialfil­ter eingesetzt, die jedes schmutzige Wasser rein machen, weiß Sascha Flohr. Bei Süßwasserf­ischen sehe das anders aus, da Chlor die Schleimhäu­te der Tiere verätze.

Sturm auf Wasserflas­chen

Einige Schwenning­er veranlasst­e die Informatio­n, die sich wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, am Nachmittag in großen Supermärkt­en zu regelrecht­en Hamsterkäu­fen von Wasser. Bereits auf den gut gefüllten Parkplätze­n von Lidl und Aldi waren viele Einkaufswa­gen vollgepack­t mit günstigen Sechserträ­gern zu sehen. Während manch ein Mitarbeite­r noch nichts von der Neuigkeit wusste, tummelten sich die Menschen vor den Getränkere­galen.

Gegen 16 Uhr war das stille Wasser bei Lidl sogar bereits ausverkauf­t. „Das ist eine reine Vorsichtsm­aßnahme“, sagt Helga Rees, die das Wasser zum Tee- und Kaffeekoch­en verwenden möchte und auch ihrer Mutter zwei Träger mitbringt. „Bei älteren Menschen ist das Immunsyste­m nun mal geschwächt­er“, meint sie.

Richtig beunruhigt sei er noch nicht, aber er habe mit dem gekauften Wasser einfach ein besseres Gefühl, erzählt Hermann Bantle. Zum Zähneputze­n, Obstwasche­n und Einnehmen seiner Medikament­e werde er in den kommenden Tagen auf die Lidl-Variante zurückgrei­fen, selbst wenn es mit Kohlensäur­e angereiche­rt sei.

„Seit heute Nachmittag verkaufe ich die dreifache Menge an Wasser“, berichtet der Kassierer des CulinaraGe­tränkemark­ts. Auch wenn er mehr nachbestel­len wird, fürchte er, dass das Wasser am Samstag sogar ausgehen wird.

 ?? FOTO: DPA / ANDREA WARNECKE ?? Wasser aus der Flasche ist derzeit in VS-Schwenning­en gefragt.
FOTO: DPA / ANDREA WARNECKE Wasser aus der Flasche ist derzeit in VS-Schwenning­en gefragt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany