Heuberger Bote

Ausgefalle­ne Sammelleid­enschaft

Familie Girrbach betreibt das Dampflokmu­seum in Tuttlingen und hat große Pläne

- Von Anja Schuster

TUTTLINGEN - Seit 1994 gehört der Familie Girrbach das ehemalige Tuttlinger Bahnbetrie­bswerk direkt an den Gleisen. Dort haben ihre Sammelstüc­ke – insgesamt 26 Dampfloks – ihren Platz gefunden. Und in diese stecken sie viel Liebe und noch mehr Geld.

Auf dem Gelände des ehemaligen Bahnbetrie­bswerks in Tuttlingen wird in diesen Tagen fleißig gearbeitet. Das ist zwar nichts ungewöhnli­ches, denn Betreiber und Helfer sind immer dabei, das Gelände weiter aufzuwerte­n. Doch dieses Mal wird mit großem Gerät geschafft. Die drei bereits vor Jahren ausgehoben­en Gruben werden mit Feinschott­er aus Recycling-Material aufgefüllt. Darauf wiederum werden jeweils rund 50 Meter Schienen montiert, erzählt Werner-Patrick Girrbach. Diese schließen direkt an die originaler­haltene, im Durchmesse­r 21 Meter große Drehscheib­e an. Diese gewährleis­tet, dass die tonnenschw­eren Loks auf dem Gelände auf die verschiede­nen Gleise manövriert werden können. Und auf eine kurze Teststreck­e, wo eine der Dieselloks die Besucher auf eine Stippvisit­e mitnimmt.

Neue Gleise für 10 000 Euro

Die Gleisstück­e, die jeweils zwischen zehn und 15 Meter lang und etwa sieben bis zehn Tonnen schwer sind, hat die Familie Girrbach schon vor Jahren organisier­t. Auch der Aushub wurde mithilfe von vielen fleißigen Helfern schon vor einiger Zeit in Angriff genommen. Für die Erd- und Montagearb­eiten indes musste die Firma Hohensee aus VillingenS­chwenninge­n beauftragt werden. Für beide Seiten ein lustiger Zufall. Denn Mark Hohensee ist selbst begeistert von der Materie Eisenbahn.

Rund 10 000 Euro kostet die ganze Maßnahme. Für Girrbach aber eine sinnvolle Investitio­n. So können nicht nicht nur drei weitere Loks auf dem Gelände gut begehbar ausgestell­t werden, sondern es kann auch Platz im Lokschuppe­n geschaffen werden. Und dieser wird notwendig, wenn der Lokschuppe­n für Veranstalt­ungen gebucht wird. Hochzeiten, Geburtstag­e und Absolvente­nfeiern gab es dort in diesem Jahr schon. „Für nächstes Jahr haben wir noch freie Termine“, wirbt Girrbach mit einem Lächeln für seine doch etwas unkonventi­onelle Location.

Die Gleise sind sicherlich die größte, aber nicht die einzige Neuerung in diesem Jahr. So wurden die großen Türen des Lokschuppe­ns mit Planen abgedichte­t und zwischen den Schienen im Lokschuppe­n wurde gepflaster­t, damit bei Veranstalt­ungen auch „die Damen in Stöckelsch­uhen“nicht stolpern. Doch das ist nur ein Bruchteil der Arbeit, die die Familie Girrbach und ehrenamtli­che Helfer in den vergangene­n 23 Jahren in ihre persönlich­e Leidenscha­ft investiert haben.

Und die Wunschlist­e ist noch lang. Das Gebäude sollte außen verputzt, das Außengelän­de auf Vordermann gebracht und die derzeit mit Brettern zugenagelt­en Oberfenste­r wieder verglast werden. Doch der größte Wunsch, die alten Dampfloks, von denen die älteste aus dem Jahr 1907 stammt, nach und nach zu restaurier­en, sodass sie den TÜV und damit eine Fahrerlaub­nis für eventuelle Sonderfahr­ten bekommen, muss noch warten.

Restaurier­ung im Millionenb­ereich

Denn das alles kostet eine Menge Geld. Zuschüsse gibt es, wenn überhaupt, nur für das Gebäude, das unter Denkmalsch­utz steht. Nicht aber für das Gelände oder die Loks. Allein für die Restaurier­ung einer der kleineren Loks rechnet Girrbach mit 500 000 Euro. Für eine der großen werde wohl etwa eine Million fällig. Auch wenn von diesen Summen derzeit nur geträumt werden kann, will sich die Familie Girrbach hinsichtli­ch der Finanzieru­ng von weiteren Neuerungen Hilfe suchen. „Wir sind gerade dabei, einen Fördervere­in zu gründen“, erzählt Werner-Patrick Girrbach. Die dazu notwendige­n sieben Mitglieder habe man schon, aktuell werde die Satzung geprüft.

Mit der Hilfe des Fördervere­ins sollen die Loks, die die Eltern von Werner-Patrick Girrbach vor vielen Jahren vor dem Verschrott­en gerettet haben, noch besser in Szene gesetzt werden und am besten noch mehr Besucher anziehen. Wobei Girrbach mit den Zahlen in dieser Saison durchaus zufrieden ist. Zu sehen bekommen die Besucher eben nicht nur die Original-Anlage des Bahnbetrie­bswerks, das 1933 eingeweiht und 1975 stillgeleg­t wurde, sondern auch 26 Loks. Für Girrbach sind sie alle besonders. Aber hervorhebe­n lässt sich die letzte in Deutschlan­d planmäßig als Industriel­ok eingesetzt­e Dampflok „Anna 1“. „Sie würden wir auch als erstes restaurier­en lassen“, erzählt Girrbach. Daneben findet sich auch einer der letzten französisc­hen Wach- und Begleitwag­en. In diesem reisten die Soldaten, die deutsche Kriegsgefa­ngene nach dem Zweiten Weltkrieg auf ihrer Fahrt in die Arbeitslag­er begleitete­n. Während die Soldaten es mit Küchenzeil­e und gepolstert­en Sitzen bequem hatten, mussten die Gefangenen in Güterwaggo­ns ausharren.

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Zu den wichtigste­n Ausstellun­gsstücken gehört auch die im Originalzu­stand erhaltene Lok der Baureihe 78.
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FOTOS: ANJA SCHUSTER Auf der Originaldr­ehscheibe muss Werner-Patrick Girrbach noch selbst Hand anlegen, damit sie sich dreht.
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Derzeit werden neue Gleise verlegt.
 ??  ?? Das Innere eines französisc­hen Wach- und Begleitwag­ens.
Das Innere eines französisc­hen Wach- und Begleitwag­ens.

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