Heuberger Bote

Nein, verrechnet hatte sich niemand

Georg Thoma, 1960 Olympiasie­ger in der Nordischen Kombinatio­n, wird 80 Jahre alt

-

(SID/dpa) - Die Trachtenka­pelle Hinterzart­en darf natürlich nicht fehlen, wenn Georg Thoma am Sonntag seinen 80. Geburtstag feiert. Dem einstigen König der Nordischen Kombinatio­n wird in seiner Heimat ein großer Bahnhof bereitet, Prominenz aus Sport und Politik hat sich angekündig­t. Dabei hat der Jubilar auf lange Reden eigentlich keine Lust. „Diese Lobhudelei habe ich noch nie gemocht“, sagt Thoma – und klingt dabei noch immer wie der „Jörgle“aus dem Schwarzwal­d, der er einmal war.

Dann kam der 22. Februar 1960, an dem der Postbote aus Hinterzart­en im fernen Kalifornie­n die Winterspor­twelt auf den Kopf stellte. „Ich war doch nur ein Hirtenbub. Und plötzlich wollte jeder ein Foto mit dem Mann aus dem Black Forest“, sagt Thoma. Der Rummel war verständli­ch: Seit 1924 hatten Skandinavi­er bei Olympia stets Gold und Silber in der Kombinatio­n gewonnen. Nun siegt ein 22-Jähriger, den niemand auf der Rechnung hatte.

Auch nicht nach der Führung beim Springen, denn auf der Schanze ist Georg Thoma Spezialist – wie später sein Neffe Dieter. Doch dann läuft „Jörgle“das „Rennen meines Lebens“und lässt dem hohen Favoriten Tormod Knutsen (Norwegen) nur Silber. Er hat Sportgesch­ichte geschriebe­n, doch die ersten Glückwünsc­he wehrt er ab. Als ihn ein Offizielle­r im Olympische­n Dorf aufsucht und ihn bittet, sich für die Siegerehru­ng vorzuberei­ten, sagt Thoma zu seinem Trainer Ewald Roscher: „Da gehen wir nicht hin. Die haben sich bestimmt verrechnet.“Die Rechnung stimmte.

Damals galten die Kombiniere­r noch als die Könige des Winterspor­ts.

Georg Thoma, Neu-Achtziger

Deshalb wird Georg Thoma auch 1960 Deutschlan­ds „Sportler des Jahres“, nicht etwa Armin Hary, der Olympiasie­ger und Weltrekord­ler über 100 Meter. In Hinterzart­en wächst der Rummel um Thoma, Fans und Touristen wollen plötzlich ein Foto mit dem „schnellste­n Briefträge­r der Welt“.

Vorausgega­ngen waren harte Jahre. „Schwarzwal­d-Kenianer“wird Thoma manchmal genannt, weil er wie afrikanisc­he Leichtathl­eten seine Ausdauer auf dem Schulweg erlangte. Als Zehnjährig­er muss er auf dem abgelegene­n Wunderleho­f als Hirtenjung­e arbeiten, sein Vater kann nicht alle sieben Kinder durchfütte­rn. Zwölf Kilometer absolviert der kleine Schorsch jeden Tag nach der Stallarbei­t – im Sommer barfuß, im Winter auf Ski. Die vielen Erfolge sind die Belohnung: Vier Jahre nach dem Olympiasie­g trägt Thoma in Innsbruck die deutsche Fahne und wird Dritter, 1966 in Oslo wird er Weltmeiste­r.

Nach seiner Karriere quittiert Georg Thoma 1971 den Postdienst, ist dann 20 Jahre Tennislehr­er, bestreitet weltweit alle Skimaratho­ns und lebt glücklich mit seiner Annemarie in Hinterzart­en. Trauzeuge war übrigens Fußballido­l Fritz Walter, Spielführe­r der deutschen Weltmeiste­r-Elf von 1954. „Ich hab vielleicht viel Glück gehabt“, sagt Thoma heute in seiner Heimat Hinterzart­en.

Im Skimuseum des Luftkurort­es ist dem berühmten Sohn ein eigener Raum gewidmet, die Georg-ThomaStube. Dort hängen seine ersten Holzlatten, auch die von der Oma gestrickte­n Handschuhe, die er beim Sieg in Squaw Valley trug. Dort beginnen am Sonntag auch die Feierlichk­eiten zum 80. Geburtstag, der am Abend im Familienun­d Freundeskr­eis ausklingt.

Nicht nur in der Kombinatio­n war Georg Thoma erfolgreic­h. Er gewann 1962 das Neujahrssp­ringen der Vierschanz­entournee der Sprungspez­ialisten, nahm siebenmal den legendären Wasalauf in Angriff und schaffte dabei eine Top-50Platzier­ung. Beim 100-KilometerR­ucksacklau­f im Schwarzwal­d, einem der bis heute härtesten Skilanglau­fwettbewer­be in Mitteleuro­pa, hält Thoma noch immer mit 5:51 Stunden die Bestzeit.

„Für mich ist das Wichtigste, dass es der Familie gut geht und wir uns in Hinterzart­en weiter alle gut verstehen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Manch wichtiges Utensil seiner großen Karriere hat Georg Thoma, Olympiasie­ger und Weltmeiste­r der Nordischen Kombiniere­r, dem Schwarzwäl­der Skimuseum seines Heimatorte­s Hinterzart­en vermacht.
FOTO: DPA Manch wichtiges Utensil seiner großen Karriere hat Georg Thoma, Olympiasie­ger und Weltmeiste­r der Nordischen Kombiniere­r, dem Schwarzwäl­der Skimuseum seines Heimatorte­s Hinterzart­en vermacht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany