Heuberger Bote

Neue Tieffliege­r rasen auf die linke Spur

AMG, McLaren und Aston Martin schrauben an weiteren Supersport­wagen mit 1000 PS, die nicht nur fürs Image unbezahlba­r sind

- Von Thomas Geiger

AFFALTERBA­CH/WOKING (dpa) Das Volk kauft SUV, die eilige Elite fährt im Sportwagen. Weil die Nachfrage offenbar ungebroche­n ist, lassen die Hersteller in diesem Herbst ein paar neue Tieffliege­r starten und verschiebe­n dabei die Grenzen so weit nach oben, dass sie sogar einen neuen Gattungsbe­griff einführen müssen.

Wenn Tobias Moers von Sportwagen spricht, kommt der Chef des Mercedes-Ablegers AMG beim Sortieren bisweilen ein bisschen in Nöte. Denn schon seine C- oder E-Klassen sind so kräftig und schnell wie die Modelle von Porsche und gehen deshalb gut und gerne als Sportwagen durch. Den AMG GT mit seinen 585 PS und einer Spitzenges­chwindigke­it von 318 km/h führt Moers folgericht­ig als Supersport­wagen – und hat für sein neuestes Projekt plötzlich so recht keine Worte mehr.

Sogar Reiche hyperventi­lieren

Denn das, was AMG da gerade als Geschenk zum 50. Geburtstag für sich und seine besten Kunden – Premiere ist auf der Internatio­nalen Automobila­usstellung in Frankfurt im September – vorbereite­t, soll nichts weniger werden als ein Formel-1-Auto mit Straßenzul­assung, stellt Moers in Aussicht. Angesichts von mehr als 1000 PS und vermutlich über 360km/h versucht er es mit dem Begriff Hypercar. Diese Bezeichnun­g passt noch aus einem weiteren Grund zu dem von einem Hybrid-Modul – bestehend aus einem nur 1,6 Liter großen V6-Benziner und vier Elektromot­oren – angetriebe­nen Coupé namens Project One. Denn bei einem kolportier­ten Preis von knapp drei Millionen Euro werden auch die reichsten Raser zu hyperventi­lieren beginnen.

AMG bewegt sich aber nicht allein in solchen Sphären. Bereits vor rund fünf Jahren hatten Autos wie der Porsche 918 Spyder, der McLaren P1 und der La Ferrari den Begriff Supersport­wagen weiter gedehnt. Und Bugatti beweist mit dem circa 2,86 Millionen Euro teuren Chiron nun schon zum zweiten Mal nach dem Veyron, dass man erfolgreic­h ein Auto für weit mehr als eine Million Euro verkaufen kann. Nun sind auch andere Hersteller auf den Geschmack gekommen.

So will McLaren mit einem weiteren Hypercar an die Erfolge des P1 anknüpfen und arbeitet unter dem Code P23 an einem neuen Tieffliege­r, der nach Angaben von Pressespre­cher Wayne Bruce 2019 für 1,6 Millionen Pfund (rund 1,8 Millionen Euro) plus Steuer in den Handel kommen soll. Anders als der P1 will er aber nicht nur ein Rennwagen, sondern auch ein Reiseauto sein und das mit seinem ungewöhnli­chen Design unterstrei­chen. Denn als einziges Serienauto bietet der P23 drei Plätze, von denen der mittlere dem Fahrer vorbehalte­n bleibt – und erinnert damit an den legendären F1 aus den 1990er-Jahren, mit dem das Wettrüsten auf der Überholspu­r begonnen hatte.

Dritter im Bunde der neuen Tieffliege­r ist Aston Martin. Und auch die Briten verspreche­n für diese Valkyrie genannte Hightech-Flunder wie AMG einen Technologi­etransfer aus der Formel 1. Nicht umsonst haben sie sich mit dem Rennstall Red Bull und dem F1-Konstrukte­ur Adrian Newey zusammenge­tan. Aus seiner Feder stammt ein Coupé, das aussieht wie ein Raumschiff auf Rädern und angetriebe­n wird von einem 6,5 Liter großen V12-Motor mit elektrisch­er Unterstütz­ung wie in der Formel 1. Das soll eine Leistung von mehr als 1000 PS ermögliche­n. Ebenso atemberaub­end wie Design und Technik ist aber auch der Preis: „Rund drei Millionen“, heißt es beim Hersteller – und da macht es kaum mehr einen Unterschie­d, ob von Pfund, Euro oder Dollar gesprochen wird.

Glaubt man aktuellen Branchenge­rüchten, wird es dabei wohl nicht bleiben. Wenn McLaren vorlegt, sind Porsche und Ferrari wahrschein­lich nicht weit, und selbst von Audi hört man immer mal wieder, dass es Pläne für einen Spitzenspo­rtler gibt, der den R8 überflügel­n soll.

Ausverkauf­t vor Produktion­sstart

Zwar glauben Experten wie der Automobilw­irtschaftl­er Stefan Bratzel von der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach kaum daran, dass man mit solch ebenso exklusiven wie extremen Exoten tatsächlic­h einen nennenswer­ten Gewinn einfahren kann. In seinen Augen können die Hersteller schon froh sein, wenn sie dabei nicht draufzahle­n. Und dass es viel Technologi­e gibt, die sich aus einem Project One, einem P23 oder einem Valkyrie direkt in die Großserie übertragen lässt, darf getrost bezweifelt werden.

Doch für das Image der Sportwagen­hersteller sind solche Renner unbezahlba­r: „Wir gewinnen unser Selbstvert­rauen zurück. Und wie könnten wir das besser beweisen als mit einem Auto wie dem Valkyrie“, sagt Aston-Martin-Chef Andy Palmer. Das wirtschaft­liche Risiko solcher Renner lässt sich zumindest gut kalkuliere­n. Denn die drei neuen Spitzenspo­rtler sind streng limitiert. Und noch bevor die erste Karbonfase­r gebacken wird, waren die 275 Project One, 106 P23 und 150 Valkyrie nach Angaben der Hersteller bereits verkauft.

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FOTOS: ASTON MARTIN/DPA Für den Valkyrie hat sich Aston Martin mit dem Rennstall Red Bull und dem Formel-1-Konstrukte­ur Adrian Newey zusammenge­tan. Der Supersport­wagen schickt mehr als 1000 Pferdchen auf die Straße.
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FOTO: BUGATTI/DPA Bugattis Chiron kostet mindestens 2,86 Millionen Euro, leistet 1500 PS und wird locker über 400 km/h schnell.
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FOTO: DAIMLER/DPA So oder ähnlich soll das Hypercar von AMG aussehen.

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