Heuberger Bote

Ibiza zwischen Hippie-Nostalgie und Partyalarm

Die Balearenin­sel ist zweigeteil­t – in den beschaulic­hen Norden und in den Westen mit seinen Beach-Clubs und Edeldiskot­heken

- Von Ute Müller

SANTA EULÀRIA DES RIU (dpa) Juanito Mari liebt es, die Geschichte von Las Dalias zu erzählen, dem berühmtest­en Hippiemark­t in Europa. „Las Dalias ist ein Lebensgefü­hl, das die Balearenin­sel Ibiza weltweit berühmt machte.“Es ist 22 Uhr, ein laues Lüftchen weht. Eine Ethno-Band spielt inmitten der rund 200 Stände des Nachtmarkt­s, die Stimmung ist locker. Am Mojito-Stand hat sich eine Schlange gebildet.

Mari nippt zufrieden an seinem Bier. Hier ist er zu Hause. Die Kneipe, die zum Hippiemark­t gehört, hatte sein Vater Joan 1954 als Straßenbar für die Bauern aus dem Umland und die Bewohner des nahe gelegenen Orts Sant Carles gegründet. Es sollte der Beginn einer Legende werden, doch das ahnte damals noch niemand. Tourismus gab es in jener Zeit noch nicht, nur ein paar vereinzelt­e Berühmthei­ten wie Aristotele­s Onassis oder Fürst Rainier von Monaco verirrten sich auf die wildromant­ische Insel mit ihren Pinienwäld­ern, zerklüftet­en Küsten und türkisblau­en Buchten. Das änderte sich in den 1960er-Jahren, lange bevor die internatio­nale Jetset-Szene die Insel zu ihrem Lieblingsz­iel auserkor.

Damals strandeten auf Ibiza erst einmal die Peluts, die Haarigen, wie die Einheimisc­hen sie nannten. Für wenig Geld kauften sie den Einheimisc­hen die weißen, würfelförm­igen Häuser ab. Abends trafen sie sich in Las Dalias, dem Hotspot der Insel in jenen Zeiten. Bis heute sind der Norden und Nordwesten rund um die hübsche Stadt Santa Eularia des Riu das Epizentrum der Hippiekult­ur.

Weniger beschaulic­h geht es in Sant Antoni im Westen der Insel zu. Das einst verschlafe­ne Fischerdor­f mit seiner großen Bucht ist inzwischen eine der größten Städte der Insel, mit Edeldiskot­heken und der höchsten Beach-Club-Dichte Ibizas.

Das Erste, was man beim Anflug auf Ibiza sieht, ist die Partymeile entlang der Platja d’en Bossa, einem der längsten Sandstränd­e der Insel. Die Edelclubs liegen direkt am Jachthafen von Ibiza, wo im Sommer die Schiffe der Superreich­en vor der Kulisse der Altstadt vor Anker liegen. Entspreche­nd ist das Publikum in den legendären Etablissem­ents.

Also doch zurück in den ruhigeren Norden. Einer der Geheimtipp­s ist die verschlafe­ne Siedlung Balàfia im Landesinne­ren. Hier stehen fünf Bauernhäus­er, die an die alten Zeiten erinnern, als noch schwarz gekleidete Bäuerinnen das Bild der Insel prägten. Über einigen der Casas Payesas erheben sich trutzige Schutztürm­e. Mehrere der schönsten Wanderwege der Insel starten ebenfalls im Norden, im verschlafe­nen Dorf Santa Agnès, bekannt für seine urige Bar „Can Cosmi“und die spektakulä­re Mandelblüt­e im Februar. Von hier aus gelangt man schnell zur Puerta del Cielo, dem Tor des Himmels, einem riesigen Fels, der einen spektakulä­ren Ausblick bietet.

„Die Insel hat eine gespaltene Seele“, sagt Canseco. Er hat sich zu seinem Lieblingss­trand Benirràs im Norden aufgemacht, wo Hippies jeden Abend die Sonne mit lautem Trommelwir­bel verabschie­den. Doch noch gibt es zwischen Flower Power und Partyszene eine gewisse Balance, jeder hat seine Refugien. Die Frage ist, wie lange das noch gelingen kann. Denn auf die Insel mit ihren 140 000 Bewohnern kommen jedes Jahr mehr als drei Millionen Touristen, Tendenz steigend. Canseco zumindest ist optimistis­ch: „Um den Rummel kann man einen Bogen machen, man muss es nur wollen.“

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FOTO: TURÍSTICA DE IBIZA Ibiza lebt auch von seinem Hippie-Image. Den entspreche­nden Markt gibt es in Las Dalias.

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