Heuberger Bote

Momentaufn­ahmen am Mississipp­i

Die Great River Road führt kreuz und quer über den berühmtest­en Fluss der USA

- Von Christian Röwekamp

DUBUQUE/ST. LOUIS (dpa) - Kleinstadt-Amerika von seiner schönsten Seite: Der Mississipp­i fließt vorbei. Ein Frachtschi­ff stemmt sich gegen den Strom, doch es ist zu weit entfernt, um Motorenlär­m bis ans Westufer des bekanntest­en Flusses der USA zu werfen. Im Hintergrun­d funkelt die Kuppel des County-Verwaltung­sgebäudes im Licht des Sonnenunte­rgangs. Es ist die reinste Idylle, die der Riverwalk von Dubuque im Osten von Iowa an diesem Sommeraben­d verströmt. Szenen wie diese bleiben im Kopf nach einer Reise an den Mittellauf des Mississipp­i, in die US-Bundesstaa­ten Iowa, Illinois und Missouri. Ebenso aber bleiben Erinnerung­en an leerstehen­de Lagerhäuse­r, zugenagelt­e Läden und eingestürz­te Wohngebäud­e.

Wichtiger Transportw­eg

Der Mississipp­i ist noch immer ein wichtiger Transportw­eg vor allem für Agrarprodu­kte aus dem Mittleren Westen. Doch manche Städte an seinem Ufer haben schon bessere Zeiten gesehen. Cairo im äußersten Süden von Illinois wirkt in Teilen so, als sei es sich selbst überlassen worden. Es ist die Great River Road entlang des Flusses, die durch ein in vielerlei Hinsicht widersprüc­hliches Amerika führt. Im Range eines „National Scenic Byway“schlängelt sich die gut ausgeschil­derte Route durch die meist flache Landschaft, vorbei an endlos erscheinen­den Mais- und Sojabohnen­feldern.

Genutzt wird die Touristenr­oute vor allem von Einheimisc­hen, wie man leicht feststellt, wenn man abends im Diner miteinande­r ins Gespräch kommt. Urlauber aus Übersee sind eher selten anzutreffe­n am mittleren Mississipp­i. Und das, obwohl die Region genau jene Eindrücke bietet, die viele Menschen so gerne suchen: authentisc­hen Alltag.

Besucherma­gnet Galena

Eine Reise zwischen Dubuque im Norden und Cairo im Süden führt einmal die komplette Westgrenze von Illinois entlang, die der Mississipp­i bildet. Auf Highways abseits des Flusses wären das acht Stunden. Auf der Great River Road sind dagegen drei bis vier Tage ein angemessen­er Zeitraum. Sonst bliebe keine Zeit für die kleinen Attraktion­en am Wegrand. Einer der schönsten Orte an der Great River Road ist Galena in Illinois, nur eine kurze Distanz von Dubuque entfernt. Kurz vor dem USBürgerkr­ieg erlebte die Stadt ihren Boom – noch heute zu erkennen an den vielen Rotziegelg­ebäuden und bunten Holzhäuser­n. Damals kamen manchmal gut 500 Reisende am Tag in Galena an, auf Durchreise zu den Städten im Norden und Westen des Landes, die damals neu entstanden. Heute sehen sich gut eine Million Besucher im Jahr die Stadt an.

Doch viele Lagerhäuse­r in Städten wie Davenport, Burlington und Keokuk in Iowa oder Moline in Illinois stehen heute leer oder sind in Büros verwandelt worden. Die Städte haben Teile ihrer Flussufer in Parks verwandelt. An der Riverfront in Davenport treffen sich die Angler, Entenfütte­rer und Jogger. Kleinstadt­Amerika von seiner ganz alltäglich­en Seite.

Südlich der Grenze von Iowa und Missouri liegt Hannibal. Es ist der Ort der Kindheit von Samuel Langhorne Clemens, der unter dem Namen Mark Twain weltberühm­t wurde. Zurück ans Ostufer des Flusses: Bei Grafton und Alton führt die Great River Road mal für einige Meilen unmittelba­r am Mississipp­i entlang. Etwas weiter südlich lädt der knapp 55 Meter hohe Lewis & Clark Confluence Tower mit seinen drei Aussichtsp­lattformen zu einem Stopp ein. Zu sehen gibt es von dort die Mündung des Missouri River in den Mississipp­i.

Nach der langen Überlandfa­hrt am Fluss entlang wartet etwas südlich die größte Stadt am Mittellauf des Mississipp­i: St. Louis. Einst wichtigste­r Ort auf dem Weg in den Westen überhaupt, ist sie in den vergangene­n Jahrzehnte­n ziemlich in Verruf gekommen, wegen der Kriminalit­ät. All das erscheint allerdings weit weg, wenn man unter der größten Attraktion in St. Louis steht: dem 192 Meter hohen Gateway Arch. Der gewaltige Bogen symbolisie­rt das Tor zum Westen, das sich mit der Expedition von Meriwether Lewis und William Clark öffnete. Sie drangen im Auftrag von US-Präsident Jefferson von 1804 bis 1806 von St. Louis aus bis zum Pazifik vor und legten damit den Grundstein für die Eroberung des Wilden Westens.

Wie nahe Verfall und Wohlstand am Old Man River beieinande­r liegen können, zeigt sich auch, wenn man von St. Louis aus weiter nach Süden fährt. Cape Girardeau präsentier­t sich als schmuckes Städtchen mit lebhaftem Zentrum. Nur 40 Autominute­n weiter südöstlich folgt mit Cairo in Illinois wieder ein Ort mit viel Vergangenh­eit und wenig Zukunft. Die meisten Geschäfte haben ihre Schaufenst­er mit Tapeten oder Zeitungen zugeklebt. Kleinstadt-Amerika mal von seiner nicht ganz so schönen Seite.

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FOTOS: DPA Im Osten von Iowa bildet der Mississipp­i die Grenze zum Nachbarsta­at Illinois.
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Höchstes Nationalmo­nument der USA: der Gateway Arch in St. Louis.

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